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Stich für Stich
entsteht ein
Kunstwerk

Quiltausstellung bei Steinböhmer

Schildesche (sas). Entstanden sind sie einst aus der Not: Stoffreste wurden nicht einfach fortgeworfen, sondern zu wärmenden Decken zusammen gesteppt. Bis zu 1000 Dreiecke, Quadrate, Rhomben, Rechtecke und Kreise wurden dabei zu einem »Quilt« zusammengefügt.
In den vergangenen Jahrhunderten wurden die Patchwork-Decken zu wahren Kunstwerken und entstanden im Lauf der Zeit klassische Muster. Wie individuell dennoch jedes einzelne Stück ist, zeigt bis zum kommenden Sonntag eine Quiltausstellung im Autohaus Steinböhmer.
Vier Quiltgruppen - die »Sennequilter« aus Bielefeld, die »Pätsch-wörker« aus Gütersloh, »step by step« aus Halle und »Die Werkstattquilter« aus Detmold - haben sich unter der Leitung von Rosemarie Reinelt zusammen geschlossen, um mehr als 200 ihrer Arbeiten zu zeigen. Das Wort Quilt kommt aus dem lateinischen Culcita, was so viel wie ausgestopfter Sack, Matratze oder Kissen bedeutet. Nur Steppdecken oder Kissen sind aber bei Steinböhmer nicht zu sehen: Auch Wandschmuck, Beutel, sogar Kleidung entstehen in dieser Technik.
»Jeder Quilt besteht aus drei Lagen: Der Unter- und Oberseite und dazwischen einer Vliesschicht«, erklärt Rosemarie Reinelt. Zusammengenäht werden diese drei Lagen mit der Maschine, die einzelnen Stoffstücke, die das Muster ergeben, werden ebenfalls mit der Nähmaschine oder von Hand appliziert. Der Quiltstich schließlich sorgt dafür, dass die Stofflagen nicht verrutschen und ist zudem ein Zierstich, der den Stoff plastisch hervortreten lässt.
»Auch wenn es klassische Muster wie 'Feathered Star', 'Roman Stripes' oder 'Victorian Crazy' gibt, ist jeder Quilt ein Unikat. Wenn man zehn Frauen ein und dieselbe Vorgabe macht, werden dennoch zehn verschiedene Steppdecken das Ergebnis sein«, sagt Rosemarie Reinelt. Denn durch die unterschiedlichen Stoffe und Farben, die verwendet werden, wirkt jedes Stück anders.
Längst gibt es auch Landschaftsmalerei auf dem Quilt, werden Mosaike gestichelt oder wird ein Muster den Motiven des Malers Friedensreich Hundertwasser nachempfunden. Eine Quilt-Variante, die an die früher übliche Gemeinschaftsarbeit, bei der man helfende Hände benötigte, erinnert, ist der »Round Robin«. Reinelt zeigt ihre große Weihnachtsdecke als Beispiel: »Ich habe nur den Stern in der Mitte gemacht, und die Decke mit den Stoffresten an die Nächste geschickt.« So reiste der Quilt ein Jahr durch Deutschland, in die Schweiz und die USA, um dann fertig zu ihr zurückzukommen. »Wie er aussehen würde, wusste ich vorher nicht.«
Nur Reste werden längst nicht mehr verwertet - obgleich Stoffstücke liebgewonnener Kleidung (wie Kinderkleidchen) gerne in einem Quilt verewigt werden. Und Rosemarie Reinelt zerschnippelt schon mal ein Sakko oder Hemd ihres Mannes...

Artikel vom 24.01.2005