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Staatsanwalt will Ermittlungen
im Fall Humana ausweiten

Drei Gutachten belasten Landwirtschaftliche Untersuchungsanstalt in Kiel

Von Christian Althoff
Herford/Kiel (WB). Im Fall Humana wird die Staatsanwaltschaft Bielefeld ihre Ermittlungen voraussichtlich im Februar auf die Landwirtschaftliche Untersuchungs- und Forschungsanstalt (LUFA) in Kiel ausweiten.
Erhielt zu wenig Vitamin B 1: »Remedia Super Soja 1«.

Wie gestern bekannt wurde, sollen der Strafverfolgungsbehörde bereits drei gutachterliche Stellungnahmen vorliegen, in denen die LUFA »erheblich belastet« werde, wie es aus Kreisen der Verfahrensbeteiligten hieß. Das für den israelischen Markt produzierte Babymilchpulver »Super Soya 1« des Herforder Herstellers soll für den Tod zweier Babys verantwortlich sein. Es hatte, wie sich später herausstellte, zu wenig Vitamin B1 enthalten. Der Vitamingehalt war vor der Auslieferung des Produktes nicht untersucht worden.
Die LUFA hatte seit Jahren im Auftrag von Humana Grundstoffe untersucht. Zur Bestimmung des Vitamin B1-Gehaltes können unterschiedliche Methoden benutzt werden. So wurden bei der LUFA bestimmte Bakterien in das Soja-Pulver gesetzt, die sich ausschließlich von Vitamin B1 ernähren. Anhand der Vermehrung dieser Bakterien können die Wissenschaftler auf den Vitamingehalt schließen. Beim Anwenden dieses Verfahrens soll der LUFA ein grundlegender Fehler unterlaufen sein.
Drei Gutachter, darunter das Institut Kirchhoff in Berlin, sollen inzwischen festgestellt haben, dass die LUFA deshalb regelmäßig erheblich überhöhte Vitaminwerte notierte - »und das seit zehn Jahren!«, wie gestern aus Ermittlerkreisen verlautete.
Dass es dennoch nicht schon eher zu gesundheitlichen Problemen bei Babys gekommen sei, habe daran gelegen, dass Humana trotz der von der LUFA gemeldeten hohen Vitaminwerte vorsichtshalber immer noch einen »Sicherheitszuschlag« gegeben und den Produkten zusätzliches B1 beigemischt habe. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) habe jedoch vor einigen Jahren Empfehlungen zum Vitamingehalt von Babynahrung veröffentlicht, mit denen einer Unterversorgung, aber auch einer möglicherweise schädlichen Überdosierung entgegengewirkt werden sollte. Um letztere zu verhindern, hätten sich die Chemiker bei Humana entschlossen, dem »Super Soya 1«-Babymilchpulver kein weiteres Vitamin B1 mehr zuzusetzen - angesichts der offenbar falschen Werte der LUFA eine folgenschwere Entscheidung.
Einer der Anwälte der vier Beschuldigten Ex-Humana-Mitarbeiter sagte gestern: »Dass es unterblieben ist, das fertige Produkt für Israel noch einmal bei der LUFA auf Vitamin B1 untersuchen zu lassen, mag möglicherweise ein Verstoß gegen die innerbetrieblichen Bestimmungen sein. Für die tragischen Folgen war das jedoch nicht ausschlaggebend.«

Artikel vom 24.01.2005