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Mikis Leben hängt an einer Pumpe

Noch nie wartete im NRW-Herzzentrum ein Kind so lange auf eine Organspende

Von Christian Althoff
Bad Oeynhausen (WB). Miki ist das Sorgenkind der Ärzte im NRW-Herzzentrum Bad Oeynhausen. »So lange wie er musste bei uns noch kein todkrankes Kind auf ein Spenderherz warten«, erzählt Professor Kazutomo Minami. Seit 186 Tagen schwebt der zehnjährige Junge zwischen Leben und Tod. »Aber er erträgt sein Schicksal tapfer und gibt die Hoffnung nicht auf«, sagt der Herzchirurg.
Prof. Kazutomo Minami zeigt eine der Pumpen, in denen sich Gerinnsel gebildet hatten.

Minami ist stellvertretender Direktor des NRW-Herzzentrums. Bei einer Vortragsreise durch seine japanische Heimat hatten ihm Ärzte im Juli den kleinen Tomohiro Mikis vorgestellt, der Miki genannt wird. Das Herz des Kindes hatte sich aus ungeklärtem Grund auf das Dreifache vergrößert und pumpte kaum noch Blut. »Miki kann nur mit einer Herztransplantation gerettet werden. In Japan dürfen aber nur Erwachsene Organe spenden, und die sind zu groß für Kinder. Deshalb hätte Miki in seiner Heimat keine Überlebenschance gehabt - wie 500 andere herzkranke Kinder, die dort jedes Jahr sterben«, erzählt Prof. Minami. Er nahm Miki deshalb mit nach Deutschland. Für die Kosten der Behandlung kommen Leser japanischer Zeitungen auf, die bis heute 550 000 Euro gespendet haben.
Der Herzchirurg: »Weil es so schlecht um Miki stand, kam er bereits am 20. Juli auf die Hochdringlichkeitsliste von Eurotransplant.« Vor drei Monaten schien die Rettung schon einmal in greifbarer Nähe: »Eurotransplant hatte uns das Herz eines hirntoten Unfallopfers gemeldet, das von Größe und Blutgruppe her passte. Doch kurz, bevor wir das Herz entnehmen konnten, blieb es stehen und war damit unbrauchbar«, erinnert sich der Arzt.
Mikis Leben hängt nun schon seit sechs Monaten an einer computergesteuerten Pumpe. Sie befindet sich außerhalb seines Körpers in Höhe seiner Leiste und ist über Schläuche mit dem kranken Herzen verbunden. »Eine risikoreiche Methode, denn solche Pumpen verursachen bei längerem Betrieb Blutgerinnsel, die zu Schlaganfällen oder zum Tod führen können«, weiß Minami. Wegen solcher Gerinnsel musste der Chirurg den Jungen bereits sechsmal in Vollnarkose legen, um jedesmal die 30 000 Euro teure Pumpe gegen eine neue auszutauschen. »Zum Glück gibt es genug Spenden, um das alles zu bezahlen.«
Trotz dieser Vorsichtsmaßnahmen erlitt Miki vor acht Wochen eine Thrombose. »Ein Gerinnsel hatte ein wichtiges Blutgefäß verstopft, das den Verdauungstrakt versorgt«, erinnert sich der Herzchirurg. Deshalb kann der Junge seit zwei Monaten nur noch künstlich ernährt werden. »Miki erleidet wirklich einen Schicksalsschlag nach dem nächsten, aber er erträgt das alles erstaunlich gut und gibt sich nicht auf«, sagt Minami.
In Zimmer 8 der nordhrein-westfälischen Kinderherzklinik sitzt der schwarzhaarige Junge meist still und nachdenklich in seinem Bett. Ab und zu blättert er in japanischen Comics, oder er schaut sich Zeichentrickfilme im Fernsehen an. Seine Mutter, die mit ihm in dem Zweibettzimmer lebt, und Prof. Minami sind die einzigen Menschen, mit denen sich der Schüler unterhalten kann. Einmal am Tag führt eine Physiotherapeutin den todkranken Jungen langsam über die Station - damit er sich zumindest ein wenig bewegt und nicht alle Muskeln abgebaut werden. »Es ist jetzt wirklich höchste Zeit, dass Eurotransplant ein Spenderherz findet«, sagt Kazutomo Minami sorgenvoll. Er hält sich Tag und Nacht bereit, um Miki das Leben zu retten, wenn der erlösende Anruf kommt.

Artikel vom 22.01.2005