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»Mein Leben habe ich der
Notfallmedizin gewidmet«

Der Kinderarzt Dr. Leonid Roshal ist der »Europäer des Jahres 2005«

Bielefeld/Moskau (WB). Sie sind Mutmacher im besten Wortsinne - aber gerade nicht Politiker, sondern Männer und Frauen, die jenseits aller konventionellen Wege Großes in und für den alten Kontinent getan haben: Die »Europäer des Jahres«. In diesem Jahr hat der russischen Arzt Dr. Leonid Roshal von Reader's Digest den Titel zugesprochen bekommen.

Der 71-jährige Kinderarzt aus Moskau, der zuletzt beim Geiseldrama von Beslan als Mittelsmann zwischen Terroristen und Rettungsorganisationen eingeschaltet worden war, erhielt die Auszeichnung in der vergangenen Woche in der russischen Hauptstadt.
Das mehr symbolische Preisgeld in Höhe von 5000 Euro stiftete Dr. Roshal dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) als Spende zugunsten der Opfer der Flutkatastrophe in Südasien. Roshal hat in den vergangenen 20 Jahren bei mehr als zwei Dutzend Katastrophen auf vier Kontinenten schwer verletzten Kindern geholfen.
Im Vorjahr war Peter Eigen als erster Deutscher zum »Europäer des Jahres« gekürt worden. Eigen ist Gründer und Vorsitzender der weltweit tätigen Organisation Transparency International mit Sitz in Berlin, die sich dem Kampf gegen Korruption widmet.
Ob Erdbeben, Krieg oder Geiselnahme: Immer wieder war und ist Roshal zur Stelle. Im Jahr 2002 redete er bei der Geiselnahme im Moskauer Musicaltheater mehrere Tage auf die Terroristen ein, sie sollten den Geiseln Essen, Wasser und Arzneimittel geben, aber zumindest die Kinder freilassen. Er sorgte auch dafür, dass die Verletzten binnen zwei Stunden ärztlich versorgt wurden. Roshal engagierte sich auch im ersten Golfkrieg, in Aserbaidschan und Armenien, er leistete Hilfe nach den Erdbeben in Japan, Afghanistan, in Indien, Algerien und Ägypten, genauso in Georgien. »Mein ganzes Leben habe ich der Notfallmedizin gewidmet. Ich komme mir schon vor wie der Doktor Ambulanz«, sagt Roshal über seine wichtige Arbeit.
Leonid Roshal wurde am 27. April 1933 in Livny, Russland, geboren. An der Medizinischen Hochschule in Moskau wurde er zum Kinderchirurgen ausgebildet. 1961 wechselte er zu den Regionalen Kliniken des Forschungsinstituts in Moskau. 1988 erfolgte sein erster großer Einsatz für Erdbebenopfer. 1995 kam er in Tschetschenien ins Gefängnis, weil er im Rebellengebiet Hilfesuchende auf beiden Seiten ärztlich betreut hatte.
2003 erhielt er eine Auszeichnung für besondern Mut durch den russischen Präsidenten Waldimir Putin für seinen Einsatz während der Belagerung des Musicaltheaters. 2003 erfolgte seine Ernennung zum Direktor des Wissenschaftlichen Forschungsinstituts für Kinder-Notfallchirurgie und -Traumatologie.
Derzeit ist er Vorsitzender des Internationalen Einsatzkommandos Kinder-Notfallchirurgie und Vorstandsmitglied der Internationalen Gesellschaft für Notfall- und Katastrophenmedizin.
Leonid Roshal ist der zehnte Träger des Ehrentitels und der erste aus Russland. Seit 1996 wählen die Chefredakteure der 19 europäischen Ausgaben von Reader's Digest Persönlichkeiten zum »Europäer des Jahres«, die am besten die Traditionen und Werte Europas verkörpern. Reader's Digest (4,5 Millionen Abonnenten) ist eine der meistgelesenen Zeitschriften in Europa.

Artikel vom 29.01.2005