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Klaus-Michael Ortloff bricht eine Lanze für die Mediation.

Streit schlichten - aber intelligent

Mediation: Unbekanntes Verfahren als Alternative zum Gerichtsentscheid

Von Matthias Meyer zur Heyde
(Text und Foto)
Bielefeld (WB). Die Streitfälle häufen sich, die Richter sind überlastet. Gut, dass es einen außergerichtlichen Weg in den Rechtsfrieden gibt: die Mediation. Ein hochrangiger Berliner Jurist hat jetzt Bielefelder Verwaltungsfachleuten die Möglichkeiten dieses kaum bekannten Verfahrens erläutert.

Spektakulär war ein aktueller Fall in Hamburg, wo die Startbahn für die Airbusproduktion in die Obstgärten des Alten Landes verlängert werden soll. Die Fronten sind hier allerdings so verhärtet, dass der Mediator, ein neutraler Vermittler zwischen den streitenden Parteien, unverrichteter Dinge aufgeben musste.
Ein Negativbeispiel, gewiss, aber Fachleute mit langjähriger Erfahrung garantieren den Erfolg in vier von fünf Verfahren. Klaus-Michael Ortloff, bis Oktober 2003 Vorsitzender Richter am Berliner Verwaltungsgericht und jetzt drei Jahre lang Vollzeitmediator, sieht besonders im Verwaltungsrecht »unendlich viele Möglichkeiten« der Problemlösung ohne staatlichen Richter. »Mag das Verwaltungsrecht auch von Verordnungen wimmeln, so gewährt das Gesetz hier doch große Spielräume«, versichert Ortloff.
Wenn sich also die lokale Bauverwaltung auf der einen sowie Bauherr und Architekt auf der anderen Seite partout nicht über das neue Hochhaus in der City einigen können, müssen sie nicht vor den Kadi ziehen. »Sie sprechen mit dem einvernehmlich ausgewählten neutralen Mediator, der ausschließlich interessenorientiert vorgeht«, erläutert Ortloff.
»Leider wissen die Leute viel zu wenig über die Chancen der Mediation«, bedauert Ortloff. Wer jedoch die Vorteile nicht kennt, sucht immer gleich die staatlich legitimierte Sanktion. »Wir Richter können uns da als Türöffner betätigen«, hofft er. Und der Bielefelder Rechtsanwalt Burkhard Zurheide spitzt das Thema zu: »Vom Richter bekommen Sie ein Urteil, vom Mediator eine Lösung.«
Zurheide und sein Kanzlei-Partner Peter-Dietrich Schulte sind Repräsentanten der Hamburger Tenos AG. Die bietet Interessenten einen Pool geschulter Mediatoren, organisiert und führt Mediationsverfahren durch. Die meisten Mediatoren sind Juristen. »Wichtig sind aber auch Lebenserfahrung und spezielle Kenntnisse - ein Mediator sollte im Bedarfsfall wissen, wie Angehörige bestimmter Gremien, zum Beispiel Aufsichtsräte, denken«, sagt Tenos-Chef Axel R. Raulinat.
Verwaltungsrichter Ortloff, dessen Stelle für die Dauer des Berliner Projekts mit einem Vertreter besetzt wurde (auf Kosten des Steuerzahlers), sieht große finanzielle Erleichterungen für die Gesellschaft: »Ich habe zwar nur halb so viele Fälle bearbeitet wie in der gleichen Zeit als Richter, das waren aber die schwierigen - und die habe ich gelöst.« Der Mediator rechnet nie nach Streitwert ab, sondern immer auf der Basis von Stundenhonoraren, »und das verbilligt die Verfahren ungemein.«
Dies am Rande: Auf Anfrage sollen Rechtsschutzversicherungen schon Mediatoren finanziert haben. Tendenz: steigend . . .
Im Verwaltungsrecht gilt laut Ortloff die Faustregel: »25 von 100 Fällen bedürfen einer richterlichen Entscheidung. 75 Verfahren lassen sich gütlich beilegen. Ob vor dem Richter oder mit Hilfe eines Mediators, entscheiden die streitenden Parteien.« Wenn sich die im Ausland längst bewährte Idee durchsetzen könne, habe das äußerst positive Folgen für die heimische Streitkultur: »Mediation öffnet das Tor zu Konsens und Kooperation.«

Artikel vom 20.01.2005