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Im Iran zum Erfolg verdammt

»Weltenbummler« Ernst Middendorp liebäugelt bereits mit Australien

Von Werner Jöstingmeyer
Bielefeld (WB). Eigentlich war es ein bisschen wie früher. Physiotherapeut Jürgen Steffans saß neben Ernst Middendorp auf der Trainerbank. Urplötzlich sprang er auf und beorderte die Einwechselspieler Thomas von Heesen und Roland Kopp zur Mittellinie. »Power-Ernst« schickte seine ehemaligen Schützlinge in der 78. Minute auf das Spielfeld, um den knappen 1:0-Vorsprung der »Allstars« gegen Arminias Bundesligateam über die Zeit zu bringen.

Am Ende reichte es nicht zum Überraschungserfolg. Ein (bewusster) Schnitzer vom ansonsten überragenden Torwart Uli Stein rettete die aktuellen DSC-Profis vor einer Blamage, weil sich Neuzugang Diego León das Geschenk zum 1:1 nicht entgehen ließ. »Die ganze Sache hat mir Spaß gemacht, weil es auch schön war die vielen Bekannten und Freunde wiederzusehen«, lachte Ernst Middorp nach dem Abpfiff vergnügt.
Für das Benefizspiel am Dienstagabend war er extra aus dem Iran gekommen. »Der Termin passte gut, weil wir am Wochenende spielfrei sind«, erklärte der mittlerweile 46-jährige Fußballlehrer. Seit dem Sommer letzten Jahres ist er Chefcoach beim iranischen Zweitligisten Traktorsasi Tabris. Die Stadt mit drei Millionen Einwohnern liegt in der Region Ost-Aserbaidschan, zwischen der Türkei und dem Kaspischen Meer, rund 600 km von der Hauptstadt Teheran entfernt. Für einen lukrativen Zweijahresvertrag verließ er den ghanaischen Meisterklub Hearts of Oak, den er just zuvor in die afrikanische Champions League geführt hatte. »Die hielten zuletzt ihre Verpflichtungen nicht ein«, begründete Middendorp den vorzeitigen Ausstieg.
Die Kontakte in den Iran liefen u.a. über Welttorjäger Ali Daei, den der gebürtige Emsländer 1997 gemeinsam mit Karim Bagheri nach Bielefeld geholt hatte. Es gehe ihm sehr gut in Tabris. Er wohne in einer Villa auf dem Werksgelände, habe 16 Angestellte, die sich rund um die Uhr um ihn kümmern und müsse im Grunde auf nichts verzichten«, versicherte Middendorp, »so lange der sportliche Erfolg gegeben ist.«
Nach der jüngsten 0:1-Niederlage liegt Traktorsasi Tabris derzeit mit fünf Punkten Rückstand auf dem dritten Tabellenplatz. »Die ersten beiden Teams nehmen an einer Aufstiegsrunde teil. Wir dürfen uns keinen Ausrutscher mehr erlauben, obwohl noch sieben Spiele zu absolvieren sind«, erklärte der Weltenbummler Middendorp. Im Iran ist er zum Erfolg verdammt. »In Tabris wird derzeit ein neues Stadion für 70 000 Zuschauer gebaut. Schon deshalb will der Klub unbedingt in die erste Liga aufsteigen«, weiß der Trainer um seine Verpflichtung.
Allerdings hegt er mittlerweile Zweifel, ob die Klasse seines Teams reicht. »Wir sind in der Offensive zu schwach und lassen zudem viele Torchancen aus«, bemängelte er. Dass die Iraner beim Misserfolg nicht lange fackeln, musste vor geraumer Zeit Rainer Zobel bei Pirouzi Teheran erfahren. Nach zwei Niederlagen in Folge wurde dem ehemaligen Bayern-Profi der Stuhl vor die Tür gesetzt.
Dem beugt Ernst Middendorp bereits vor, indem er Kontakte pflegt. »Im Laufe der Jahre habe ich ein weltweites Netzwerk aufgebaut«, erklärte er und schielt bereits mit einem Auge nach Australien. »Der Kontinent würde mich reizen, zumal es lose Anfragen gibt.« Am Dienstagabend genoss ein braungebrannter »Power-Ernst« den 90-minütigen Auftritt in Bielefeld. An jener Stätte, an der seine Trainer-Karriere begann.

Artikel vom 20.01.2005