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Für einen abgefeimten
Mord reicht es immer

Ingrid Noll serviert Mischung aus Grauen und Idylle

Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). Kurzgeschichten sind für Ingrid Noll so eine Art Erholung zwischen ihren Romanen: »Da brauche ich nicht so einen langen Atem - aber auch eine zündende Idee, es muss 'Klick' machen.« Aus ihren jüngsten gesammelten Geschichten las sie gestern Abend vor ausverkauftem Haus in der Boulevard-Buchhandlung.

Als 1991 ihr erste Buch »Der Hahn ist tot« tatsächlich veröffentlicht (und ein Riesenerfolg) wurde, sei sie am meisten überrascht gewesen, erzählt die 69-Jährige: »Ich musste genötigt werden, das Manuskript einzuschicken. Ohne Ermutigung meiner Familie wäre ich dazu zu feige gewesen.« Sie empfände es nach wie vor als »Privileg und Luxus«, schreiben zu können, was sie wolle: »Ich muss nicht getreten werden, ich schreibe gern.« Die Krimi-Autorin, deren Romane eine perfekte Mischung sind aus bürgerlicher Idylle und dem blanken Grauen, liest gern auch die Bücher von Kollegen. Wenn sie denn dazu kommt: »Viele Bücher kreisen bei mir noch in der Warteschleife - man kommt ja zu nichts.« Außer zum Schreiben - der nächste Roman ist bereits in Arbeit. Ingrid Noll, die mit Ehemann Gregor (74) und ihrer Mutter (104) zusammen lebt - die drei Kinder sind längst aus dem Haus - mag auch den sonntäglichen »Tatort« - »die meisten Folgen jedenfalls«.
Und sie mag China, das Land ihrer Geburt. Zweimal sei sie wieder dort gewesen und, obwohl sie China im Alter von 13 Jahren verlassen hat, habe sie Vertrautes wiedergefunden: »Gerüche, Töne, Musik, Garküchen - und die Landschaft verändert sich ja auch nicht.«
Vier ihrer Bücher sind verfilmt worden und eigentlich ist Ingrid Noll recht zufrieden mit den Ergebnissen. Auch, wenn ihre Akteure in ihrer Fantasie anders ausgesehen haben: »Jeder malt sich schließlich seinen eigenen Film im Kopf.« Wichtig sei ihr unbedingt, dass die Schauspieler die Idee gut »'rüberbringen«. Schade findet sie es, dass die Rollen »immer mit gut aussehenden Superstars« besetzt werden: »Auch so genannte 'graue Mäuse', die nach außen unscheinbar wirken, müssen doch nicht dröge sein.« Für einen abgefeimten kleinen Mord reicht es jedenfalls allemal. . .

Artikel vom 20.01.2005