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Berlin setzt auf Diplomatie

Fischer gegen militärische Lösung im Iran-Konflikt

Berlin (ddp/AP). Der von den USA offenbar erwogene Militärschlag gegen den Iran stößt in Deutschland auf Widerspruch und Besorgnis.
Politiker von Union und Rot-Grün wandten sich gestern entschieden gegen eine militärische Lösung des Atomkonflikts mit dem Mullah-Regime in Teheran und forderten eine diplomatische Offensive. Die Bundesregierung hofft, dass die Gespräche zwischen dem Iran und europäischen Regierungen über das Atomprogramm zum Erfolg führen.
Außenminister Joschka Fischer mahnte im Atomstreit mit Iran eine politische Lösung an. Zur Äußerung von US-Präsident George W. Bush, der den Einsatz militärischer Mittel als Option nicht ausschließen wollte, sagte Fischer in Berlin: »Wir vertrauen auf die Diplomatie.« Er erinnerte daran, dass die Europäer seit langem daran arbeiteten, Iran zum Verzicht auf die militärische Nutzung der Atomenergie zu bewegen.
Fischer wollte sich nicht dazu äußern, ob die Ankündigung von Bush als Säbelrasseln zu verstehen sei. »Für uns steht eindeutig die Diplomatie im Vordergrund«, bekräftigte der Grünen-Politiker. Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck sagte hingegen, die US-Ankündigungen müssten einen »mit Sorge erfüllen«. Durch die Option auf einen Militärschlag würden »die diplomatischen Bemühungen der Europäischen Union erschwert«. Die USA müssten davor gewarnt werden, nochmals in eine Niederlage zu steuern wie im Irak.
Regierungssprecher Bela Anda sagte, die Genfer Gespräche zur Verhinderung einer atomaren Bewaffnung Teherans seien »ohne Alternative«. Außenamtssprecher Walter Lindner räumte allerdings ein, dass die Verhandlungen zwischen dem Iran und Vertretern Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens »sehr schwierig« seien. Fischer wird nächste Woche die neue US-Außenministerin Condoleezza Rice treffen.
Unions-Fraktionsvize Wolfgang Schäuble (CDU) sagte, militärische Maßnahmen für einen Sturz der Mullah-Führung wären »ganz sicher falsch«. Er gehe aber nicht davon aus, dass an einen Militäreinsatz ernsthaft gedacht werde. Von der Rice-Äußerung, der Iran sei einer der »Vorposten der Tyrannei« in der Welt, müsse man »das amerikanische Pathos wirklich abziehen«, sagte Schäuble. Teheran müsse jedoch die »ausgestreckte Hand« der Europäer ergreifen und auf die Entwicklung von Nuklearwaffen verzichten.
Der außenpolitische Sprecher der Union, Friedbert Pflüger, ergänzte, die USA sollten den Versuch unternehmen, sich an einem »konstruktiven Dialog« mit dem Iran zu beteiligen. Wenn dem Iran »ein Stück Entdämonisierung« signalisiert würde, könnte Teheran vielleicht auf die »Nuklearoption« verzichten.

Artikel vom 20.01.2005