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Zwei Ostwestfälinnen im Reich der Mitte

Nina Birkenhake und Mutter Angelika lassen für Trend-Art in China Dekorationsartikel produzieren


Von Bernhard Hertlein
Verl (WB). Von Ostwestfalen nach China sind es nur wenige Flugstunden - aber ein weiter Weg, um Geschäfte zu machen. Nina Birkenhake (26), ehemalige Jura-Studentin in Bielefeld, brachte den Mut auf. Ihre 1999 gegründete Firma Trend-Art, mit der sie in Verl zusammen mit ihre Mutter Angelika Deko-Artikel an Einzelhandels- und Endkunden vermarktet, gehört in Deutschland zu den erfolgreichsten der Branche.

Gestern noch Studentin der Jurisprudenz, heute als mittelständische Unternehmerin in fernen Ländern wie China und Indien unterwegs. Ganz schön mutig, oder?Birkenhake: Zumindest ist es ein komplett anderer Bereich. Meine Eltern, die ihr Leben lang als Einzelhändler gearbeitet haben, sagten früher immer: Kind, lerne bloß etwas Anderes -Êdann hast du es später mit Sicherheit leichter. Ich habe es probiert. Aber Jura war einfach zu trocken für mich. Es ist doch viel reizvoller, in fremde Länder zu reisen, fremde Menschen und Kulturen kennen zu lernen.

Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt. Wie war das bei Ihnen?Birkenhake: Der erste Schritt war relativ einfach - eine Art Bildungsreise der Industrie- und Handelskammer für künftige China-Importeure. Ich habe diese Tour, die uns über Bangkok und Hongkong bis nach Zentralchina geführt hat, gemeinsam mit meiner Mutter in einer Gruppe von acht Personen unternommen.
Was wir dabei erfuhren, hat uns tatsächlich die Angst vor dem geplanten ersten Schritt genommen. Vorher war unsere Hemmschwelle sehr hoch. Geschäftliche Kontakte sind besonders in China gewissen Ritualen unterworfen. Es beginnt bei der Übergabe der Visitenkarte und endet noch lange nicht beim Geschäftsessen. Kennt man diese Rituale und bestimmte Eigenheiten der chinesischen Mentalität, ist der Einstieg in geschäftliche Kontakte schon viel leichter. Ganz abgesehen davon haben wir auch viele nützliche Informationen etwa über einzelne Produktionszentren und die sich ändernden Rollen der Metropolen Hongkong und Schanghai erhalten.

Sind Sie von Anfang an mit dem festen Willen nach Asien gereist, dort Geschäfte zu machen - oder war das nur so eine Ahnung?Birkenhake: Dass wir in Asien Geschäfte machen wollen, war eigentlich klar. Unklar war nur, ob wir schon auf der Reise damit beginnen.

Waren denn wirklich alle Expertentipps so hilfreich?Birkenhake: Hilfreich schon -Êaber wir haben sie nicht alle angenommen. Zum Beispiel wurde uns dringend geraten, mit einem Agenten vor Ort zusammenzuarbeiten. Wir haben stattdessen entschieden, selbst mehrfach im Jahr persönlich vor Ort zu sein und die Ware zu prüfen. Ansonsten reicht auch der gesunde Menschenverstand, um festzustellen, bei welcher Firma in China wir gut aufgehoben sind.

Wie und wann wurden aus den Gedankenspielen konkrete Pläne?Birkenhake: Etwa sechs Monate nach der IHK-Reise. Wir sind bereits vor Beginn der nächsten Saison wieder nach China geflogen, um Artikel fürs Weihnachtsgeschäft einzukaufen. Das war mutig und auch ein bisschen blauäugig. Zum Beispiel wäre es aus der heutigen Sicht besser gewesen, wir hätten vorab bereits Gespräche mit den hiesigen Banken geführt.

Wie wichtig ist es, in dieser Situation jemanden an der Seite zu haben, der Mut zuspricht?Birkenhake: Eine solche Person -Êin diesem Fall meine Mutter -Êist nicht zu ersetzen. Irgendwann geht mal was daneben. Dann ist es gut, wenn jemand, der die gleichen Ziele, Gedanken und Ängste hat, da ist und dich hält. Mutterseelenallein hätte ich das China-Abenteuer niemals durchgestanden. Das ist keine Frage des Mutes. Doch mir fehlt der Leichtsinn. Es kann ja auch in China zum Beispiel mal ein Unfall passieren . . .
Darüber hinaus ist meine Mutter auch als Partnerin bei den Verhandlungen mit den chinesischen Produzenten unersetzlich. Wir sind als Team so eingespielt, dass zu teure oder Fehlkäufe fast ausgeschlossen sind.

Wie mutig haben andere reagiert, etwa die Banken?Birkenhake: Banken und Mut? Das passt nicht zusammen. Sicher, wenn der Jungunternehmer ihnen ein Schloss als Sicherheit übereignet . . .
In meinem Fall genügte nicht einmal der Nachweis, dass die gesamte Lieferung aus China in Deutschland bereits verkauft war. Der Container könnte ja ins Meer fallen, lautete das Argument.

Und die staatliche Förderung?Birkenhake: Vielleicht klappt es, wenn man ganz genau Bescheid weiß. Doch von sich aus fassen die Banken Existenzgründer-Darlehen nicht gerne an. Möglicherweise ist ihnen die Rendite zu gering. Aber die Angst der Banken hatte natürlich auch ihr Gutes: Wir haben noch vorsichtiger geordert und so auch aus eigener Kraft unseren Weg geschafft.

Haben die Kunden ihren Schritt unterstützt?Birkenhake: Unsere Kunden schätzten von Anfang an, dass wir mit eigenen Design-Entwürfen nach China gegangen sind. Die Begeisterung, mit der sie unsere Ware auf den Messen begutachten, spornt uns bis heute jedesmal an. Außerdem ist natürlich auch der preisliche Vorteil sehr willkommen.

Wie reagieren die Chinesen darauf, dass zwei Frauen mit ihnen ins Geschäft kommen wollen?Birkenhake: Sie lächeln. Frauen sind in China als Geschäftspartner meist nur in gemischten Delegationen unterwegs. Dass Mutter und Tochter gemeinsam auftreten, ist ungewöhnlich und macht uns natürlich interessant. Das Andere, dass wir unser Geschäft verstehen und Qualität und Preise einzuschätzen wissen, merken die Chinesen sehr schnell. Dann spätestens gewinnt ihr Geschäftssinn die Oberhand über mögliche Vorbehalte. »Business« ist das Allerwichtigste im Reich der Mitte.

Sie lassen in Fernost immer etwas zurück - nämlich die Entwürfe für Deko-Artikel, von denen Sie wissen, dass sie hier in Deutschland bei ihren Kunden an-kommen. Ist das nicht mutig angesichts der großen Fähigkeiten in Asien, Dinge zu kopieren?Birkenhake: Natürlich gehört Mut dazu. Aber wir testen unsere Partner, bevor wir ihnen wichtige Artikel ganz überantworten. Dabei müssen die Chinesen natürlich auch selbst fürchten, dass andere ihre Muster kopieren. Sollten trotzdem Plagiate von unseren Deko-Artikeln auftauchen, dann ist der Ärger natürlich groß. Wir trösten uns ein bisschen, dass es wichtig ist, in welcher Umgebung die Waren präsentiert werden. Die Zusammenstellung aber bleibt bis zum Schluss unser Geheimnis. Und wenn das alles nicht hilft, beeilen wir uns, um beim nächsten Mal wieder vor der Konkurrenz die Nase vorn zu haben.
www.trendart-birkenhake.de

Artikel vom 29.01.2005