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Die Beine lassen Haas im Stich

Australian Open: Nur Grönefeld sorgt für einen deutschen Lichtblick

Melbourne (dpa). Thomas Haas war plötzlich platt, Rainer Schüttler erlebte wieder einen Albtraum gegen Andre Agassi: Während die deutschen Daviscup-Spieler mit einer kollektiven Pleite den Einzelwettbewerb der Australian Open beendeten, zog Anna-Lena Grönefeld gestern in Melbourne in die dritte Runde ein und sorgte für einen Lichtblick im darbenden deutschen Damen-Tennis.

Der von der Hitze geschwächte Haas unterlag dem Slowaken Karol Beck nach gutem Start völlig unerwartet 7:5, 6:2, 2:6, 6:7 (5:7), 3:6. »Auf einmal wollten meine Beine nicht mehr. Es war, als wenn ich gegen eine Wand gelaufen bin«, sagte Haas. Danach gewann der unter Trainingsrückstand leidende Schüttler beim 3:6, 1:6, 0:6 gegen Agassi noch ein Spiel weniger als im Finale gegen den Amerikaner vor zwei Jahren und befand: »Diesmal ist es mit Sicherheit bitterer. Vor zwei Jahren hatte ich schon vorher einen großen Erfolg errungen.«
Ein Positiverlebnis gab es aber doch. Doppel-Spezialist Alexander Waske aus Frankfurt bezwang an der Seite des Österreichers Jürgen Melzer das an Nummer eins gesetzte Duo Mark Knowles/Daniel Nestor mit 6:3, 7:6 (7:5) und sorgte damit für eine Riesenüberraschung in der ersten Runde.
Im Einzel schaffte es von zwölf gestarteten Deutschen bisher nur Anna-Lena Grönefeld in Runde drei. Das 19 Jahre alte Talent zeigte beim 6:2, 7:6 (7:2) über die Halbfinalistin des vergangenen Jahres, Fabiola Zuluaga aus Kolumbien, eine starke Leistung. Auch der Einzug ins Achtelfinale ist keine Träumerei, gegen ihre nächste Gegnerin Vera Duschewina aus Russland gewann die Nordhornerin erst in der Vorwoche beim Turnier in Canberra.
Endstation war in Runde zwei auch für Björn Phau. Der als »Lucky Loser« aus der Qualifikation nachgerückte Münchner verlor gegen den Kroaten Mario Ancic 5:7, 2:6, 1:6. Am Donnerstag besaß noch Philipp Kohlschreiber gegen Chiles Doppel-Olympiasieger Nicolas Massu die Chance, als einziger der acht deutschen Herren die Runde der letzten 32 zu erreichen.
Der dritte Turniertag entwickelte sich in der Rod-Laver-Arena zu einem ungeahnten deutschen Desaster. Bei mehr als 30 Grad konnte Haas ab Mitte des dritten Satzes nicht mehr. »Ich habe gemerkt, dass der Körper total abgebaut hat«, sagte der in Florida lebende Hamburger und konnte es selbst nicht glauben: »Die Beine bewegen sich wie Gummibänder, obwohl man erst zwei Stunden gespielt hat.« Ursache könnte Flüssigkeitsmangel gewesen sein.
Der 26-Jährige legte sich Eisbeutel auf die Oberschenkel und in den Nacken, aß eine Banane, stellte sich eine Cola-Dose an seinen Platz und ging nach dem dritten Satz ein paar Minuten in die schattige Kabine: Es half nichts mehr, obwohl Haas sich im vierten Satz etwas erholte und im Tiebreak beim 5:5 nur zwei Punkte vom Sieg entfernt war. Doch Beck revanchierte sich nach 3:32 Stunden für die Daviscup-Niederlage im vorigen September in Bratislava, und Haas ließ sich danach eine Infusion verpassen.
Schüttler stand gegen Agassi nur elf Minuten länger auf dem Platz als vor zwei Jahren, obwohl er die ersten zehn Punkte mit seinem Aufschlag gewann und zu Beginn fünf Breakchancen besaß. Nach dem Aufschlagverlust zum 2:3 nahm das Unheil in der nur 87 Minuten dauernden Partie seinen Lauf. »Ich war schon relativ hilflos«, gestand Schüttler. Agassi meinte: »Er hat am Anfang gutes Tennis gespielt. Als ich die Breakbälle abgewehrt hatte, begann ich, mich wohler zu fühlen.«
Gute Laune verbreitete nur Anna-Lena Grönefeld. »Ein großartiger Sieg. Das ist die erste Top-20-Spielerin, die ich geschlagen habe. Ich gehe mit hohem Selbstvertrauen und gutem Glauben ins nächste Match«, sagte sie nach ihrem ersten Drittrunden-Einzug bei einem Grand-Slam-Turnier.

Artikel vom 20.01.2005