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Leitartikel
Wehrpflicht

Klare Signale:
SPD bereitet
Ausstieg vor


Von Dirk Schröder
Die Einberufungspraxis zur Wehrpflicht verstößt nicht gegen das Grundgesetz. Auch wenn die Gegner der Wehrpflicht gestern ein anderes Urteil des Bundesverwaltungsgericht erhofft hatten, deuten doch alle Signale darauf hin: Noch in diesem Jahr, in dem die deutschen Streitkräfte allen Grund zum Feiern haben - die Bundeswehr besteht seit 50 Jahren - wird die Wehrpflicht zum Abschuss freigegeben. Für die Liberalen, für die Grünen und auch für einen großen Teil der Sozialdemokraten wird gerade dies ein Freudentag werden.
Die einen werden triumphieren, weil sie schon immer Gegner der Streitkräfte waren; die anderen, weil sie endlich die Wehrungerechtigkeit beseitigt sehen, die für sie das Hauptargument ihrer Ablehnung ist. Damit wischen sie die vielen guten Gründen beiseite, die auch heute noch die Wehrpflicht als die bessere Wehrform auszeichnen.
Zugestanden, die Bundeswehr steht vor einem grundlegenden Umbau zu einer verkleinerten Interventionsarmee. Doch gerade dieser Umstand spricht nicht gegen, sondern eher für die Beibehaltung der Wehrpflicht. Abgesehen davon, dass diese Form Garant für einen Austausch der Streitkräfte mit der Gesellschaft bleibt, stellen sich Fragen. Wie kann die Nachwuchsgewinnung sichergestellt werden? Wie können die Mehrkosten einer Berufsarmee finanziert werden?
Wenn die Wehrpflicht-Gegner tatsächlich um den besseren Weg besorgt sind, müssen sie diese Fragen beantworten. Schließlich: Auch wenn die Wehrpflicht davon nicht abhängen darf, wie die Zukunft für die von Zivildienstleistenden erbrachten sozialen Leistungen aussehen soll, wird so gut wie gar nicht diskutiert.
Verteidigungsminister Peter Struck verteidigt zwar öffentlich die Wehrpflicht weiterhin vehement, doch auch er hat eingesehen, dass in seiner Partei der Wehrpflicht immer mehr der Boden entzogen wird. Die Arbeitsgruppe, die für den SPD-Bundesparteitag im November in einem Leitantrag eine Empfehlung abgeben soll, wird von Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul geleitet - natürlich einer ausgewiesenen Gegnerin der Wehrpflicht.
Aber so ganz im Regen stehen lassen wollen die Sozialdemokraten ihren Peter Struck auch nicht. »Dänisches Modell« heißt das Zauberwort. Das bedeutet: Einberufen wird nur noch, wenn es nicht genügend Freiwillige gibt. Damit soll Struck das Umschwenken erleichtert werden, er soll »sein Gesicht wahren können«. Doch diese Wehrpflichtlotterie ist natürlich ein fauler Kompromiss. Er bedeutet nichts anderes als den Einstieg in den Ausstieg.
Eines ist sicher: Die SPD wird sich im November von der Wehrpflicht verabschieden, wie immer sie dies in ihrem Leitantrag auch nennen wird. Von heute auf morgen lässt sich die Bundeswehr dann natürlich nicht zu einer Berufsarmee umbauen, das dauert Jahre.
Vorher wird 2006 gewählt. Eine Chance hat die Wehrpflicht noch.

Artikel vom 20.01.2005