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Ballsaal-Suite statt Studentenbude

Komponist Björn Raithel darf in Hamburger Luxushotel komponieren

Von Antje Harders
Hamburg (dpa). Mozart hätte angesichts einer Auswahl von 900 Weinsorten wohl weniger ans Komponieren gedacht: Björn Raithel dagegen nimmt seinen Auftrag ernst.

Zwei Wochen lang darf der 25-jährige Student des Salzburger Mozarteums, der aus Leverkusen stammt, gratis im Hamburger Luxushotel Louis C. Jacob an der Elbchaussee residieren, um ein Stück zum Thema Max Liebermann (1847-1935) zu komponieren. »Wir wollen diesen jungen Nachwuchs-Komponisten abfangen, bevor er in fünf Jahren bekannt ist«, sagt Christoph Becher, Chefdramaturg der Hamburgischen Staatsoper und Mitinitiator des Projekts. Für das Fünf- Sterne-Hotel ein Gewinn, kann es sich doch mit einem weiteren Künstler als Gast schmücken. 1902 logierte der Maler Max Liebermann mehrere Monate in dem mehr als 200 Jahre alten, ehemaligen Weinrestaurant hoch über der Elbe und verewigte Ansichten von dessen Lindenterrasse in Öl. Im Mai 2004 durften zehn Schriftsteller, unter ihnen bekannte Namen wie Thomas Brussig und Moritz von Uslar, ihr Talent mit Kurzgeschichten unter Beweis stellen.
Bisher haben allerdings weder kreischende Möwen noch tutende Elbkähne ihren akustischen Weg in Raithels Stück gefunden: Der Komponist setzt kaum einen Fuß aus der Ballsaal-Suite, deren 98 Quadratmeter sonst 985 Euro pro Nacht kosten. Stunde um Stunde notiert der junge Mann in druckreifer Präzision, um sich herum Bleistifte, Radiergummi, Metronom, eigene Kompositionen und eine Biografie Liebermanns. »Ich genieße vor allem die Ruhe und den Platz zum Hin- und Hergehen«, sagt er, »im Studentenheim habe ich zehn Quadratmeter«.
Gut die Hälfte des zehn- bis zwölfminütigen Stücks für Streichquartett, Klarinette und Schlagzeug hat Raithel bisher fertig. »Die schwierigste Herausforderung ist die Kombination aus klassischen und modernen Musikinstrumenten«, sagt der junge Brahms-Fan, der nie im Orchester gespielt hat und mit klassischer Gitarre aufwuchs. Mit 13 Jahren komponierte er erste Sonaten für sein Instrument, später gewann er viele Kompositionswettbewerbe.
»Ich versuche die Lichtspiele, die Bewegtheit und Melancholie aus Liebermanns Bildern zu übernehmen«, sagt Raithel und versteht dessen Rückzug in die Abgeschiedenheit: »Die Welt um Liebermann hat sich so gewandelt, dass er sich nicht mehr zugehörig fühlte.«

Artikel vom 20.01.2005