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Ein alter Traum in neuer Größe

Mit starken Gesten feiert Europa den A380 und seine Spitzenstellung

Von Thomas Rietig
Toulouse (AP). Zuerst erhob sich libellengleich eine einfache Flugmaschine in die Luft, am Ende gab es Beifall für einen gigantischen Reiseriesen.

Traumwandlerisch erzählte gestern ein spitzbärtiger Weiser in der großen, dunklen Halle »Jean Luc Lagardère« auf dem Airbus-Gelände in Toulouse die Geschichte des Fliegens von Dädalus und Ikarus bis zur Concorde. Licht- und Wasserspiele begleiteten internationale Künstler, die alle nur ein Thema hatten: den ewigen Wunsch des Menschen, fliegen zu können. Draußen heulte der Sturm sein Lied dazu.
Der Traum hatte eine neue Dimension bekommen. Dazu passte die Multimediashow von olympischen Ausmaßen. Unter den Augen der Staats- und Regierungschefs der Airbus-Nationen Frankreich, Deutschland, Großbritannien und Spanien sowie 5000 geladener Gäste wurde das größte und technologisch fortschrittlichste Passagierflugzeug der Welt, der A380, feierlich enthüllt.
Es war gleichzeitig ein Triumph des »guten, alten Europas« mit seiner kulturellen Tradition, das noch Raum für Kreativität und Teilhabe lasse, wie Bundeskanzler Gerhard Schröder anspielungsreich formulierte. Er zeigte sich besonders beeindruckt von den vier großen Figuren, die in der Multimediashow die vier Länder symbolisierten. Auf ihnen waren einige der Größten der jeweiligen Länder aufgedruckt. Goethe, Bach und Einstein beispielsweise.
Alle Beteiligten erweckten den Eindruck, eine sehr erfolgreiche Familiengeschichte fortzuschreiben. Zugleich ergingen sie sich in lange nicht mehr so unbescheiden formulierten Superlativen. Airbus-Chef Noël Forgeard sprach von einem »großen Moment in der Geschichte Europas«. Präsident Jacques Chirac war sichtlich stolz, dass das Ereignis in der Grande Nation stattfand. Er meinte, der Tag kröne ein 35-jähriges Abenteuer europäischer Luftfahrtgeschichte. Aber er sagte auch an die Adresse der Airbus-Mitarbeiter aus 85 Nationen: »Ihr seid alle hier zu Hause.«
Der britische Premierminister Tony Blair hielt sich da mit seinem Stolz auf den »britischen Beitrag« nicht zurück und nannte den Riesenvogel den »Beweis, dass wir zusammen auf dem globalen Markt siegen können«. Spaniens Ministerpräsident José Luis Zapatero machte auf einen zu selten gehörten Aspekt des Airbus-»Traums« aufmerksam: »Noch nie ist ein Projekt solchen Ausmaßes auf friedlichem Weg verwirklicht worden.« Schon gar nicht in Europa, dachten sich die Gäste dazu, unter ihnen die versammelten Spitzen der kontinentalen Rüstungsindustrie.
Die Feier bekam nach der feierlichen Taufe des Riesenvogels familiäre Züge: Schröder, Chirac, Blair und Zapatero mischten sich unter die Gäste. Hier ein Schwätzchen mit Lufthansa-Aufsichtsratschef Jürgen Weber, dort mit dem luftfahrterfahrenen Exrennfahrer Niki Lauda. Dann wieder ein Small-Talk mit EU-Kommissar Günther Verheugen oder ein Foto im Gewühl mit einem zehnjährigen Mädchen, das mit vielen anderen Kindern für die Zukunft des Projektes stand.
Schröder rief in seiner kurzen Ansprache die Europäische Kommission zu Selbstbewusstsein im Streit mit den USA um Subventionen für zivile Flugzeugbauer auf. Die europäischen Interessen in den Verhandlungen über die Abschaffung von staatlichen Beihilfen für Airbus und Boeing sollten fair, aber nachdrücklich zum Ausdruck gebracht werden. Wenn es um ein neues Abkommen mit den USA gehe, so Schröder, müsse Europas Fahne hochgehalten werden.
Einen Namen bekam der Super-Vogel bei seiner Taufe gestern noch nicht. Ob sie sich die Europäer nicht hatten einigen können?

Artikel vom 19.01.2005