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Lächelnd weinen
und hörend sehen

Baskisches Nationalorchester bei Pro Musica umjubelt

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). 23 Jahre jung, hat sich das »Orquesta Sinfonika de Euskadi« doch schon einen ausgezeichneten Ruf in der internationalen Musikszene erarbeitet. Unter der Leitung seines langjährigen musikalischen Leiters Gilbert Varga konnte sich das Pro Musica-Publikum einen Eindruck von dem ingeniösen, präzisionsverliebten Musizierstil des baskischen Spitzenorchesters verschaffen.

Der melancholische erste Programmteil exponierte nach Sibelius' »Valse Triste« -Êfesselnd in seiner tänzelnde Leichtigkeit und Melancholie vereinenden Impulskraft -ÊEdward Elgars Konzert für Violoncello und Orchester e-Moll. Das im spätromantischen Stil komponierte Werk profiliert die Rolle des Soloinstruments. Ihm ist kaum eine Pause zugedacht, während das sparsam instrumentierte Orchester überwiegend für den durchsichtigen Klanghintergrund sorgt.
Elgar selbst wollte die Komposition als »Einstellung eines Menschen zum Leben« verstanden wissen. Im Herbst seines Lebens komponiert, scheint darin Rückschau auf fröhliche Tage und Erfolge ebenso verankert zu sein wie die Vorausahnung auf den trübseligen Lebensabend, den Elgar nach dem Tod seiner Frau in Krankheit und Apathie verbrachte.
Der 1957 in Brasilien geborene Antonio Meneses gehört nicht nur zu den ausgewiesenen Könnern seines Fachs, er besitzt auch dieses gewisse Mehr an Einfühlungsvermögen und Sentiment, welches letztendlich so berührend und beglückend wirkt. Wenn sich das Cello unter Meneses energetischem Anstrich nach dunkler Lamento-Einleitung schließlich in langen Melodiebögen ausweint, könnte einem aus Ergriffenheit glatt die Luft wegbleiben. Dass Menesis seinen runden, unvergleichlich weit schwingenen Vibrato-Ton in unendlichen Schattierungen hervorbringen weiß, kommt nicht nur dem lyrisch-poetischen »Adagio«-Teil zugute. Ebenso ehrt es Meneses, dass er auch in den bewegteren Sätzen virtuoses Raffinement stets in den Dienst der musikalischen Diktion stellt. Mit dem Ergebnis, dass auch die Nuancen und Zwischentöne zu ihrem Recht kommen. Das auf hoch sensible Klangtransparenz gestimmte Orchester rundete den Eindruck von Vollkommenheit.
Ein wahrhaft synästetisches Erlebnis bescherten Varga und die Basken einem restlos begeisterten Oetkerhallen-Publikum mit Mussorgskys »Bilder einer Ausstellung«. Wann hat man jenen Bilderbogen schon einmal so anschaulich hörend gesehen?! Einfallsreich und detailverliebt ließ Varga aufspielen, mit kleinteilig metrisch-dynamischen Schattierungen und nicht enden wollender Konzentration und Präzision. Für frenetischen Applaus gab's drei Zugaben: Die heimliche Nationalhymne der Basken sowie zwei ungarische Tänze von Brahms.

Artikel vom 19.01.2005