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Experte III. Klasse enträtselte die Welt

Bundeskanzler Schröder und Forschungsministerin Bulmahn eröffnen das »Einstein-Jahr«

Von Till Mundzeck
Berlin (dpa). Kein Forscher hat je solch eine öffentliche Verehrung erfahren wie Albert Einstein. Noch ein halbes Jahrhundert nach seinem Tod ist Einstein (1879-1955) der mit Abstand populärste Wissenschaftler. 100 Jahre nach Einsteins wissenschaftlichem »Wunderjahr« 1905 wird jetzt das »Einsteinjahr« gefeiert.
Berühmtes Bild: Einstein streckt die Zunge raus

Bundeskanzler Gerhard Schröder und Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn wollen die Veranstaltungsreihe, die alle Facetten Einsteins beleuchtet, heute in Berlin mit einem Festakt offiziell eröffnen.
Was aber macht Einstein so beliebt? »Mir wird applaudiert, weil mich jeder versteht. Ihnen wird applaudiert, weil Sie niemand versteht«, soll Charlie Chaplin einmal an Einstein gerichtet geäußert haben. »Es geht um große Fragen in Einsteins Arbeiten, das spürt jeder«, erklärt der Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG), Knut Urban vom Forschungszentrum Jülich. »Und das Unverständliche ist zusätzlich geeignet, Erfurcht zu erzeugen.«
»Die Kosmologie, die Lehre vom Universum, hat in der Öffentlichkeit auch immer eine metaphysische, ja fast religiöse Komponente«, ergänzt Urban. Einsteins Relativitätstheorie ermöglichte nicht nur gut überprüfbare Vorhersagen wie etwa die Krümmung des Raums durch große Massen, sie konnte auch etwa ein sich ausdehnendes Universum beschreiben, lange bevor die Idee vom Urknall überhaupt Fuß fasste.
Noch heute sind Einsteins Arbeiten in der Forschung aktuell. Astronomen rätseln über eine »Dunkle Energie«, die das All auseinander zu treiben scheint, und die sich mit der von Einstein eingeführten »kosmologischen Konstante« beschreiben lässt. Quantenphysiker versuchen, den »Einstein-Podolski-Rosen-Effekt« zu verstehen, der in der Welt der Quantenphysik die Eigenschaften von atomaren Teilchen spontan über beliebig große Entfernungen verknüpft und beim »Beamen« zum Tragen kommt.
Sicher trägt auch die Entstehungsgeschichte von Einsteins ersten bahnbrechenden Entdeckungen zum Mythos bei. In seinem »Wunderjahr« veröffentlichte der erst 26-jährige Physiker in kurzer Folge mehrere revolutionäre Arbeiten, die er nicht etwa als angesehener Professor, sondern als »technischer Experte III. Klasse« am Berner Patentamt ersonnen hatte. Eine der Veröffentlichungen von 1905 war seine Doktorarbeit, die noch heute zu den meistzitierten Aufsätzen der Physik zählt.
Auch die Spezielle Relativitätstheorie mit der Formel E = mc2 stammt aus diesem Jahr. Außerdem erklärte Einstein das als Brownsche Molekularbewegung bezeichnete Hin- und Herzittern kleiner Teilchen in einer Lösung und wendete Max Plancks Quantenhypothese auf das Licht an. Damit sprach er dem Licht Teilcheneigenschaften zu. Die Lichtquantenhypothese machte Einstein zu einem der Mitbegründer der Quantenphysik, und dieser bahnbrechende Beitrag, nicht die Relativitätstheorie, brachte ihm den Physiknobelpreis für 1921 ein.
Der Weltöffentlichkeit schlagartig bekannt wurde Einstein, der seine Erkenntnisse stets durch bloße Gedankenkraft gewann, nachdem sich 1919 eine der wesentlichen Voraussagen der 1915 in Berlin vollendeten Allgemeinen Relativitätstheorie bestätigte. Der Theorie zufolge krümmen große Massen den Raum selbst, so dass auch das Licht abgelenkt wird. Genau diese Ablenkung wurde bei der Sonnenfinsternis von 1919 bei Sternen nahe der vom Mond verdeckten Sonne beobachtet.

Artikel vom 19.01.2005