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Die Leidenschaft
eines Visionärs

»Aviator« mit DiCaprio

Für einen Visionär wie Howard Hughes konnte der Himmel nicht weit genug sein. Für einen Regisseur wie Martin Scorsese liegt der Himmel auf der Leinwand, die er mit seinen Visionen füllt.

Nun setzt Scorsese in seiner Filmbiographie »Aviator« (Flieger) über rund zwei Jahrzehnte im Leben des legendären Piloten, Filmproduzenten, Liebhabers und Zwangsneurotikers Howard Hughes (1905-1976) zu einem eigenen Höhenflug im Kino an. Schon jetzt zählt der Film mit Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle zu den Meisterwerken des Regisseurs, der mit seinen Geschichten immer wieder tief im Humus des amerikanischen Traums gräbt.
Weit ist der Bogen, den Martin Scorsese von Hollywood in seinen glanzvollsten Jahren über den Kampf um die amerikanische Luftlinien-Hoheit bis hin zu den inneren Abgründen des schwerhörigen Psycho-Freaks Hughes spannt. Leidenschaft (mit sehr viel Leiden) ist die Triebfeder des genialen Hughes, der wie Regisseur Scorsese alles, was er tut, mit halsbrecherischer Perfektion betreibt.
Hollywood, späte 20er Jahre: Ein junger Typ aus Texas, im Filmgeschäft unerfahren, steckt vier Millionen Dollar aus seinem Erbe in das bis dahin teuerste Filmprojekt aller Zeiten, das Flieger-Epos »Hell's Angels«. Zunächst noch als reicher Idiot belächelt, peitscht Howard Hughes sein Wahnsinnsprojekt zum Erfolg. Im Studiosystem bleibt er ein Einzelgänger, doch er erobert die Herzen von Stars wie Jean Harlow (Gwen Stefani), Katharine Hepburn (Cate Blanchett), Jane Russell und Ava Gardner (Kate Beckinsale).
Hughes liebt die Frauen, aber mehr noch liebt er das Fliegen. Über die Metallhaut der von ihm entworfenen Flugzeuge streichelt er mit der Hingabe eines Verführers. Allein in der Luft fühlt er sich frei von Phobien und Marotten, von seiner krankhaften Angst vor Krankheitserregern, seinem Wiederholungs-Tick, der ihm manchmal Sätze wie in einer Tonband-Endlosschleife über die Lippen zwingt. Wenn er im Cockpit auf Rekordjagd geht, entflieht er auch dem Verfolgungswahn, der ihn am Boden quält.
Leonardo DiCaprio als Howard Hughes zeigt mit nunmehr 30 Jahren die bisher beste Leistung seiner Karriere. Eigentlich gegen seinen Typ besetzt, wagt er sich auf unbekanntes Terrain und erschließt einen äußerst widersprüchlichen Charakter.

Artikel vom 20.01.2005