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Beckenbauer startet Verteilungskampf

Bielefelder Datenschützer bemängeln das Verfahren vor der Fußball-WM

Hamburg (dpa). »Es wird Enttäuschungen geben, und wir werden Kritik einstecken«, sagt Franz Beckenbauer.
Franz Beckenbauer

»Mit der Gesamtzahl der deutschen Karten für die Vorrundenspiele könnten wir nicht einmal die Nachfrage aller Jugendtrainer befriedigen«, meint Horst R. Schmidt. »Es ist unmöglich, ein System zu präsentieren, das jeder als transparent und ausgewogen ansieht«, erklärt Wolfgang Niersbach. Der Chef des deutschen Organisationskomitees (OK) für die Fußball-WM und seine beiden Vizepräsidenten haben in den vergangenen Monaten alles getan, um die Erwartungen der deutschen Fan-Gemeinde zu dämpfen, wenigstens eines der 64 WM-Spiele live miterleben zu können.
Am kommenden Montag, 502 Tage vor dem Eröffnungsspiel am 9. Juni 2006, wird das Trio die Karten-Chancen in konkreten Zahlen ausdrücken. Wie immer sie ausfallen werden, es kann bei knapp drei Millionen weltweit zur Verfügung stehender Karten nur eine Mangelverwaltung sein. So erinnert FIFA-Boss Joseph Blatter die Deutschen an ihre Gastgeberpflichten. Wer das Motto »Zu Gast bei Freunden« auswähle, »muss den Gästen auch die Tore öffnen. Von 80 Millionen Deutschen wollen sicher 30 Millionen ein Ticket haben. Das geht nicht.«
Der Schweizer empfahl dabei den Massen, die Spiele auf den Großleinwänden in den Städten zu verfolgen. Rechtzeitig vor dem Mängel-Bericht des OK hatte der TV-Rechteinhaber Infront grünes Licht für das »Public Viewing« gegeben und für diese als Entlastung wirkende Entscheidung den Dank Beckenbauers geerntet.
Fest steht, dass vom 1. Februar an zum Auftakt der Operation 850 000 Karten weltweit über Internet (www.fifaworldcup.com) bestellt werden können. Jeder Fan könne für bis zu sieben Spiele maximal vier Tickets buchen. In einer Art Lotterie werden die Karten unter den Millionen-Anfragen verteilt. Wie viele Karten dann tatsächlich für deutsche Fans übrig bleiben, ist wie die von Beckenbauer im Oktober genannte Zahl von 800 000 eine Spekulation. Die Gesamtzahl hängt auch davon ab, ob das OK für Deutschland eine Erhöhung der Zuteilung von acht Prozent pro Spiel und beteiligtem Land auf bis zu 20 Prozent erreichen kann.
Auseinandersetzungen gab es dann auch bei der Preisgestaltung. Das OK bestand auf einer Sozialkomponente und setzte mit 35 Euro für den billigsten Sitzplatz in den Vorrundenspielen einen Preis durch, der um 16 Euro unter dem der WM 2002 liegt. Nach Verabschiedung der Kategorien, die bis zu 600 Euro für einen Final-Platz am 9. Juli reichen, sagte Blatter: »Damit bin ich nicht zufrieden.«
Kritik kommt auch von der Bielefelder Datenschutz-Initiative »FoeBuD«. Wer die Karten bestellen wolle, müsse in einem Internet-Fragebogen persönliche Daten wie Geburtsdatum, Personalausweisnummer oder Kreditkarten-Details angeben, sagte ein FoeBuD-Sprecher. Die Tickets wiederum sollen kleine Sender enthalten. Die gespeicherten Daten könnten somit heimlich ohne Wissen der Fußballfans im Stadion an Dritte gelangen und missbraucht werden.

Artikel vom 22.01.2005