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Leitartikel
Zuversicht im Doppelpack

A380: bester Werbeträger
für Europa


Von Reinhard Brockmann
Die europäische Luftfahrtbranche schwelgt in Superlativen: Das gemeinhin größte Passagierflugzeug der Welt ist fast fertig. Der Luft- und Raumfahrtkonzern EADS legt satte Gewinne vor, und in Hamburg sind mit dem A380-Programm 4400 Arbeitsplätze entstanden. Nach dem Hochfahren der Produktion 2006 und 2007 werden bundesweit 40 000 Arbeitsplätze erwartet. Das sind Fanfarenstöße, eine fast vergessene Musik in deutschen Ohren.
Da wollte, da musste Gerhard Schröder gestern unbedingt dabei sein. Mit dem »Roll-out« des neuen Airbus - früher nannte man so eine Feier schlicht Taufe - wurde in der Tat ein neues Kapitel der Luftfahrtgeschichte aufgeschlagen. Gut 36 Jahre nach dem Start von Boeings legendärem 747 »Jumbo« tritt Europas »Super-Jumbo« an dessen Stelle. Allerdings, das Flugzeug muss jetzt auch noch fliegen. Gestern rollte es jedenfalls nicht einen einzigen Meter.
Der neue Gigant ist gemessen an der Passagierzahl beinahe das größte jemals gebaute Flugzeug der Welt. Bei allen technischen Eckdaten wird deutlich, in welchem Maße Europa die Nase vorn hat: drei Meter länger, zwei volle Passagierdecks, 4,7 Meter höher und stolzer.
Insgesamt hat Airbus beim Bau von Flugzeugen seine Führung vor dem Erzrivalen Boeing ausgebaut. 2004 wurden zum zweiten Mal diesseits des Atlantiks mehr Flugzeuge ausgeliefert. Dennoch gibt man sich in Seattle gelassen. Die richtige Strategie werde entscheiden, wer langfristig im Flugzeugbau die Nase vorn hat, heißt es.
Boeing setzt auf mittelgroße Flugzeuge. Airbus hält mit offensivem Optimismus dagegen: In 40 Jahren sollen 700 A380 verkauft und 150 Milliarden Euro umgesetzt werden. Boeing hält das für übertrieben. Gut dass bereits 139 der neuen 280 Millionen Dollar teuren Vögel bestellt sind. Hoffentlich ist bei 250 Verkäufen die Gewinnschwelle wirklich erreicht, damit frühere Subventionen wieder hereinkommen.
Immerhin, die USA müssen auf der Hut sein: Bei Boeing sind Bestellungen für die 747 inzwischen die absolute Ausnahme. Um den Europäern wenigstens etwas Paroli zu bieten, hat man dort eine »Boeing 747 Advanced« mit 450 Plätzen zumindest auf Papier gemalt.
Kurzum: Der Alte Kontinent kann doch noch mit den USA konkurrieren - selbst bei hochspezialisierten Produkten. Gerade war da noch der Erfolg der Titan-Mission. Schon bald führt der A380 als Europas bester Werbeträger der ganzen Welt vor Augen, was die europäische Volkswirtschaft alles drauf hat.
Wenn die Alte Welt vereint handelt, kann sie mit den USA mindestens gleichziehen und den wachsenden Herausforderungen durch China selbstbewusst begegnen.
Der Erfolg von heute beruht auf Weichenstellungen, die bis zu 20 Jahre zurück liegen. Kerneuropa zeigt dem Großeuropa der 25 auf eindrucksvolle Weise, was zu schaffen ist, wenn man wirklich zusammensteht.

Artikel vom 19.01.2005