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Heute schon »gebloggt«?

Online-Tagebücher: Die Schreiber- und Lesergemeinde wächst

Von Stefanie Hennigs
Bielefeld (WB). Früher steckten sie unter Matratzen. Sie waren mit Schlössern vor dem elterlichen Zugriff gesichert und sie wurden heimlich unter der Bettdecke geführt - Tagebücher. Diese Zeiten sind vorbei. Dank Weblogs oder kurz Blogs: Online-Tagebücher, in denen immer mehr »Blogger« die ganze Menschheit oder Auserwählte an ihrem Leben teilhaben lassen. Die Blogger-Gemeinde wächst täglich.

Das Blog-Fieber, das seit ungefähr sechs Jahren in den USA grassiert, hat seit einiger Zeit auch Europa erreicht. Immer mehr Deutsche machen mit - in allen Altersstufen. Die Bandbreite reicht von trivial bis schwermütig, von lustig bis tragisch, von langatmig bis kurzweilig. Es gibt Kommentare zum politischen Geschehen oder zu ganz persönlichen Ereignissen.
Ein paar Beispiele gefällig? Fihu schreibt in seinem Dorfblog etwa über die Probleme beim Hosenkauf und lässt sich den Segen dafür geben, welche Frisur es denn beim nächsten Friseurbesuch sein darf. Kommentare sind erwünscht. Doreen aus Marburg schreibt auf Sickgirl.de - in tollem Design - über ihre Erlebnisse, ihre Stimmungen, ihre Pläne. Nina und Romina erzählen in ihrem Snoopy-Weblog von Typen, in die sie verknallt sind und haben Songtexte und Bilder online gestellt. Als Forum nutzen sie Weblog-Hosting-Services wie blogger.de - zum Teil kostenlos, zum Teil werden Werbebanner auf die Seite gestellt, wer viele Bilder oder größere Datenmengen in seinem Blog »parkt«, wird mit ein paar Euro zur Kasse gebeten. Einige Blog-Hosting-Services sind allerdings momentan überfüllt. Auf Blogger.de gibt es beispielsweise gerade keine Möglichkeit, neue Blogs anzulegen. Keine Platzprobleme haben etwa myblog.de oder livejournal.com.
Um sein eigenes Weblog zu gestalten, muss man kein großer Programmier-Crack sein - die eben erwähnten Weblog-Services nehmen einen beim Design an die Hand, Schriftart und -größe, die Farbgestaltung und das Header-Bild kann man individuell einstellen. Genauso individuell einstellbar ist es, wer Zugriff auf die persönlichen Einträge hat - nur man selbst, bestimmte Personen mit einem Passwort oder alle, die sich auf verschlungenen Wegen auf die Seite verirren. Wer möchte, kann außerdem einstellen, ob Kommentare erwünscht sind oder ob die Weblog-Leser per E-Mail Kontakt aufnehmen können. Natürlich gibt es auch spezielle Blog-Software. Wer erst einmal ein wenig erforschen möchte, wie andere ihre Blogs füllen, findet auf den Startseiten der Weblog-Services die angesagtesten, aktuellsten Blogs. Oder es besteht die Möglichkeit - etwa auf myblog.de - mit der Postleitzahl nach Bloggern aus der näheren Umgebung zu suchen. Auf der Seite www.bloghaus.net sind viele Blogs aufgelistet, die in Deutschland geführt werden. Preisgekrönte Blogs findet man über die Seite www.thebobs.de.
Ob das, was man in den Blogs liest, glaubwürdig oder Fake ist - das muss letztendlich jeder selber für sich entscheiden. Denn den Stempel »Garantiert wahr!« gibt es im Internet nicht.
Und die ganze Sache ist auch aus einem anderen Grund sicherlich nicht ganz unproblematisch. »Blogs bieten für Marketingagenturen unendlich viel Nahrung, um Profiling von Usern zu betreiben, um aufkommende Trends aufzuspüren oder um Guerilla-(...)Marketing zu betreiben«, schreiben etwa »Don Alphonso« und Kai Pahl in dem Buch »Blogs! Text und Form im Internet«. Klar ist jedenfalls: Wer nicht möchte, dass zu viele an seinem Privatleben teilnehmen, sollte weiterhin bei der Variante Tagebuch-unter-der-Matratze bleiben.
blogger.de, myblog.de twoday.net, 20six.de antville.de, livejournal.com

Artikel vom 27.01.2005