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Geheime
Nebenjobs
bald strafbar

Abgeordnete unter Druck

Berlin (dpa/ddp). Als Konsequenz aus der Affäre um Nebeneinkünfte von Politikern will die rot-grüne Koalition schärfere Strafen für Bundestagsabgeordnete einführen, die gegen Regeln verstoßen. Abgeordnete, die Nebeneinkünfte verschweigen, müssen künftig mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen.

Ohne Gegenleistungen haben offenbar die beiden niedersächsischen SPD-Landtagsabgeordneten Hans-Hermann Wendhausen und Ingolf Viereck Gehalt vom VW-Konzern erhalten. Das hat das Unternehmen laut »Focus« Landtagspräsident Jürgen Gansäuer mitgeteilt. Nach dem niedersächsischen Abgeordnetengesetz müsse der Landtagspräsident Nebeneinkünfte ohne tatsächliche Arbeit zurückfordern. Viereck soll neben der Abgeordneten-Diät von VW rund 5000 Euro monatlich kassiert haben, Wendhausen 3400 Euro. Bei knapp elf Jahren im Parlament drohe Viereck eine Rückzahlung von bis zu 650 000 Euro. Bei Wendhausen seien es bis zu 450 000 Euro.
SPD-Chef Franz Müntefering sagte, die bekannt gewordenen Zahlungen begründeten den »Handlungsbedarf«. Es müsse Konsequenzen haben, »wenn einer die Meldepflicht nicht erfüllt«. Der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz sprach sich für Geldstrafen und strafrechtliche Sanktionen aus. Eine Pflicht zur Veröffentlichung der Höhe von Nebenjob-Einkünften soll es nicht geben.
Auch CDU-Vorsitzende Angela Merkel findet es »nachdenkenswert«, strafrechtlich gegen diejenigen vorzugehen, die etwas bewusst verheimlichen. Die FDP-Bundestagsfraktion lehnt solche Überlegungen dagegen strikt ab.
Müntefering kündigte nach den Beratungen der Fraktionsspitzen von SPD und Grünen in Wörlitz (Sachsen-Anhalt) Gespräche mit der Opposition an. Die Parlamentarischen Geschäftsführer der Bundestagsfraktionen erörtern morgen die Transparenz der Nebeneinkünfte.
Einen Gesetzentwurf zur Verschärfung der Verhaltensregeln kündigte Wiefelspütz bis Ende Juni an. »Es wird dabei nicht nur um Geldstrafen gehen«, sagte er. »Wir werden auch über Sanktionen strafrechtlicher Art zu reden haben.« Dies gelte für Fälle von Bezahlung ohne Gegenleistung. Wiefelspütz kündigte eine Verschärfung des Paragrafen 108 e im Strafgesetzbuch zur Abgeordnetenbestechung an.
Der Grünen-Rechtsexperte Volker Beck sagte, bei Regelverstößen solle von Abgeordneten ein Teil ihrer Diäten zurückgefordert werden. Parlamentarier, die Nebeneinkünfte verheimlichen oder von Firmen ohne Gegenleistungen bezahlt werden, sollen nach »Spiegel«-Informationen künftig die doppelte Summe dieser Gelder an die Bundestagsverwaltung zahlen.
Nach einer WDR-Umfrage hat jedes fünfte der großen Unternehmen in NRW einen oder mehrere Parlamentarier auf der Mitarbeiterliste.

Artikel vom 17.01.2005