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Wählerisch und
unbestechlich

Günter Lamprecht wird am Freitag 75

Bonn (dpa). Er schlug sich mit Berliner Polizeibeamten die Nächte um die Ohren, setzte sich in schäbige Kneipen, backte drei Wochen lang frühmorgens Brötchen: Günter Lamprecht stürzte sich ins Milieu, um für seine Film-, Fernseh- und Theaterrollen zu lernen.
So kennt man Günter Lamprecht in Rollen: Lässig mit Hut und Mantel.Foto: teutopress

So schrieb er als Milieudarsteller Filmgeschichte. In der Rolle des Franz Biberkopf aus Rainer Werner Fassbinders »Berlin Alexanderplatz« oder des einzelgängerischen »Tatort«-Kommissars Franz Markowitz ist er einem Millionenpublikum bekannt, auch wenn er nie zu den umschwärmten deutschen Filmstars gehörte. Am kommenden Freitag feiert Günter Lamprecht seinen 75. Geburtstag. Heute ist er um 22.25 Uhr 3sat im Gespräch mit Gero von Boehm zu sehen.
Momentan brütet Lamprecht in aller Abgeschiedenheit in seiner Bornheimer Wohnung nahe Bonn über dem zweiten Teil seiner Memoiren, den er im kommenden Jahr auf der Buchmesse in Leipzig vorstellen will. Anknüpfend an sein erstes Buch will er seine Lebensgeschichte fortschreiben - eine Lebensgeschichte, die nicht nur im Krieg »von Gewalt begleitet« gewesen ist. Mehr als zehn Mal sei er dem Tod entronnen, sagt Günter Lamprecht - das letzte Mal beim Amoklauf eines 16-Jährigen im November 1999 in Bad Reichenhall, bei dem er Durchschüsse durch beide Arme erlitt. Mit dem tragischen Ereignis soll nicht nur seine Autobiografie enden, er will seine Erlebnisse auch in ein Drehbuch mit dem Arbeitstitel »Amok« einbringen, das den Amoklauf eines Schülers thematisieren und voraussichtlich im kommenden Jahr verfilmt werden soll.
Der Sohn eines Taxifahrers und einer Landarbeiterin, der in Berlin aufwuchs und in der Stadt bis heute seine Heimat sieht, gab sich beim Aussuchen seiner Rollen stets wählerisch und unbestechlich. Viele Drehbücher waren ihm zu banal, viele Figuren zu »doof und zu unglaubwürdig« - obwohl ihm oft hohe Gagen angeboten worden seien. Wenn er auf die Bühne oder vor die Kamera tritt, will er aufrütteln, soziale Kritik üben, Diskussionen entfachen. Auch im Alter sei er nicht bereit, »irgendeinen Opa in irgendeiner Serie« zu spielen.

Artikel vom 17.01.2005