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Ein Mann
mit Tastsinn

Sehbehinderter Masseur

Von Ulrich Grotewold
Paderborn (WB). Die beruflichen Ausgangsbedingungen für Kanapathipillai Ganeshalingam schienen denkbar schlecht, als der Sri Lankese an der Seite von Ehefrau Naguleswary vor 20 Jahren der Heimatinsel den Rücken zukehrte und in Richtung Deutschland aufbrach. Inzwischen hat er sich mit einer eigenen Massagepraxis längst im Herzen der Paderstadt etabliert.

Während die anfänglichen Sprachprobleme des zugezogenen Ehepaars nach und nach schwanden, begann eine erbliche Augenerkrankung immer mehr den Tagesablauf des dunkelhäutigen Paares zu bestimmen. Denn Kanapathipillai leidet, wie 30 000 weitere Menschen in Deutschland, unter der als »Renitinits Pigmentosa« bekannten chronische Zerstörung des Augenhintergrundes. Obwohl die Ursachen für diesen Prozess, der in der Regel im vollständigen Verlust der Sehfähigkeit gipfelt, seit langem bekannt sind, existieren bis heute keine Heilungsmöglichkeiten.
Trotz des niederschmetternden Befundes und der damit verbundenen Probleme für die Berufswahl, suchte und fand der 48-Jährige seinen Traumjob. »Mir war klar, dass ich ohne meine Augen nur als Masseur eine Chance habe«, begründet er den 1994 eingeschlagenen Weg ins »Handwerk«.
Während seine wichtigsten Sinnesorgane, die Ohren, ihm an regnerischen Tagen manchmal Schwierigkeiten bereiten, sich in den Straßen Paderborns zu orientieren, kann sich Ganeshalingam bei der Arbeit voll auf die Hände verlassen. Schon während der in Mainz abgeschlossenen Ausbildung habe er gelernt, neben typischen Rückenbeschwerden auch Hauterkrankungen zu erfühlen. Dabei erwies sich die bewusstere Wahrnehmung der Patienten durch Tasten schon früh als Vorteil.
In der Massagepraxis von Ute Bergen baute der Neu-Paderborner von 1998 an einen eigenen Patientenstamm auf, der ihm dank der Mithilfe durch die Therapeutin noch heute die Treue hält. Von einer Beeinträchtigung seiner Tätigkeit aufgrund der Behinderung oder der Hautfarbe will der Musikliebhaber nichts wissen. Im Gegenteil: »Die Fürsorgestelle der Stadt Paderborn und das Integrationsamt für Behinderte in Münster haben mir intensiv bei der Einrichtung der Praxis geholfen«, blickt Ganeshalingam zufrieden zurück. Nur zweimal habe er erlebt, dass sich Patienten von ihm abwendeten als sie von dem Augenleiden des Masseurs erfuhren.
»Zu viele Menschen in Deutschland haben Angst vor der Zukunft. Dabei kann man trotz Behinderungen oder sprachlicher Barrieren seine Ziele verwirklichen«, macht der auf einem Auge fast Erblindete Mut. Und er fügt lächelnd hinzu, dass schließlich jeder Mensch auf seine eigene Weise behindert sei.

Artikel vom 29.01.2005