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Das Kapitel Wiedergutmachung

Das Detmolder Staatsarchiv präsentiert beeindruckende Zeitzeugnisse

Von Reinhard Brockmann
Detmold (WB). Wiedergutmachung - das Wort verspricht meist mehr, als es hält. Aber aus 10 000 Wiedergutmachungsverfahren nach dem Krieg in Ostwestfalen sprechen auch Größe, Tragik, späte Genugtuung und Widerstand.
Ausstellungsmacher Johannes Kistenich zeigt den Fall »Kusserow«. Das der Familie zugefügte Leid konnte kaum wieder gut gemacht werden.
Das Staats- und Personenstandsarchiv Detmold zeigt einige Beispiele aus seinen Beständen. Montagabend wird die bis 18. März dauernde Ausstellung »Wieder gut gemacht?« eröffnet.
Dargestellt werden Zwangsmaßnahmen gegen jüdische Geschäftsleute wie dem Paderborner Kaufmann Karl Theo Herzheim und dem Bielefelder Chemiekaliengroßhändler Sidney Goldmann. Für die Verfolgung aus Gründen der Religion stehen das Vorgehen gegen Pfarrer Hans Hossius als Anhänger der Bekennenden Kirche in Lippe, die Aufgabe des Zisterzienserklosters Hardehausen (Kreis Höxter) und die Verfolgung der Familie Kusserow aus Bad Lippspringe als Zeugen Jehovas.
Für Drangsalierung aus weltanschaulichen Gründen stehen die Beschlagnahmung des anthroposophischen Heilerziehungs- und Erholungsheims Schloss Hamborn bei Paderborn sowie die Bekämpfung der Herforder Freimaurerloge »Zur Roten Erde«.
Die Verfolgung aufgrund politischer Überzeugung dokumentiert die Ausstellung am Beispiel der Ausschaltung der sozialdemokratischen und der liberalen Presse in Lippe nach 1933 und am Wiedergutmachungsfall Carl-Wilhelm Busse, dem 2001 verstorbenen Verleger dieser Zeitung.
Zeit seines Lebens hatte Busse nur bescheiden und selten auf seine damaligen Auseinandersetzungen mit den braunen Machthabern verwiesen. Die Detmolder Ausstellung macht jetzt öffentlich, dass er noch 1936 anordnete, dass sein »Herforder Kreisblatt« wieder Anzeigen jüdischer Firmen aufnahm. Einem regimenahen Chefredakteur kündigte er fristlos. Vor Gericht wurde offenbar, dass Busse Pflichtmeldungen des Propaganda-Ministeriums über angebliche Rassenschändungen in seinem Blatt nicht duldete, sondern die Redaktion anwies, Juden wieder zu Wort kommen zu lassen.
Vor dem Standesgericht der deutschen Presse kam der damals 22jährige mit einer Verwarnung davon, wurde aber nicht freigesprochen. Die Ausstellung zeigt auch Dokumente, wonach die Gestapo Bielefeld Busse als politisch unzuverlässig einstufte.

Artikel vom 15.01.2005