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Aus dem Archiv eines
Schauspielerlebens

Große Ausstellung über Bernhard Minetti in Berlin

Von Wilfried Mommert
Berlin (dpa). Ein Schauspieler wird zum Drama: »Minetti« hat Thomas Bernhard für Bernhard Minetti geschrieben. »Wenn wir nicht unsere Kunst hätten, müssten wir jeden Tag immer tiefer verzweifeln.«

Das Thomas-Bernhard-Zitat aus diesem Stück ist eine Kapitelüberschrift in der Ausstellung »Nachspiel« der Berliner Akademie der Künste, die von diesem Samstag an im Max Liebermann-Haus gezeigt wird. Anlass ist der 100. Geburtstag des 1998 gestorbenen Staatsschauspielers und langjährigen Stars des Schiller-Theaters. Sein umfangreicher Nachlass ist im Besitz der Akademie, der Minetti auch angehörte. »Es ist ein Jahrhundert-Archiv eines beeindruckenden Schauspielerlebens«, sagte Archivdirektor Wolfgang Trautwein zu den zahlreichen, zum Teil bisher unveröffentlichten Dokumenten, Briefen und Fotos, die von einem Hörspielkabinett und Filmstudios ergänzt wird.
»Minetti hat alles aufgehoben, es sind 270 Archivkästen.« Dazu gehören auch zahlreiche Unterlagen aus der NS-Zeit. Die Zeit im Schauspielhaus am Gendarmenmarkt mit Gustaf Gründgens als Generalintendant sollte Minetti ein Leben lang begleiten und auch immer wieder mit Vorwürfen konfrontieren, er sei ein »strammer Nazi« gewesen. In seinen Memoiren habe er seine Rolle in dieser Zeit unzulänglich dargestellt, meint der Theaterwissenschaftler Klaus Völker, der zu der Ausstellung auch eine umfangreiche Bildbiografie veröffentlicht hat (»Propyläen Verlag). »Er suchte die Nähe der Macht, um seine Interessen durchzusetzen, aber Parteimitglied war er nie«, sagte Völker.
Ausführlich dokumentiert die Ausstellung, die auch den privaten Minetti als Fußballfan zeigt, die Höhepunkte in Minettis Schauspielerleben im Berlin der Nachkriegszeit als einer der bedeutenden Darsteller an Schiller- und Schloßpark-Theater. An der Schaubühne am Lehniner Platz brillierte er als Lear. Aber auch an eine berühmt gewordene Inszenierung in der Volksbühne von 1982 wird noch einmal erinnert, als Minetti Goethes »Faust« Grüber spielte. Seine letzte Rolle war der Schauspiellehrer in Brechts »Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui« am Berliner Ensemble in einer Inszenierung von Heiner Müller.

Artikel vom 15.01.2005