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Kahlschlag statt Qualifizierung

Immer mehr Anbieter beruflicher Weiterbildung stehen vor dem Aus

Von Bernhard Hertlein
Bielefeld (WB). Trotz »Pisa«Êund schöner Sonntagsreden über den »wichtigsten Rohstoff Bildung« investiert Deutschland immer weniger in die Qualifizierung von Arbeitslosen. »Vor allem die Mittel der Bundesanstalt für Arbeit wurden gnadenlos zusammengestrichen«, sagte gestern Rudolf Helfrich.
Rudolf Helfrich: »Die Situation ist dramatisch.«

Der Vorsitzende des Bundesverbandes der Träger beruflicher Bildung (BBB) war Hauptredner einer von der privaten Fachhochschule des Mittelstandes (FHM) veranstalteten Tagung mit 260 Experten in Bielefeld. Helfrich zufolge hat die Bundesagentur für Arbeit als größter Auftraggeber für berufliche Fortbildung und Umschulung die dafür vorgesehenen Geldmittel im Zuge von Hartz I und Hartz II in den vergangenen zwei Jahren um jeweils 25 Prozent gekürzt.
Die neue Praxis, Bildungsmaßnahmen bundesweit auszuschreiben, habe die Preise sowohl als auch die Qualität drastisch gedrückt. Oft verfüge der günstigste Anbieter weder über Erfahrung noch Personal noch über Räume in der entsprechenden Stadt. Viele Standorte von Weiterbildungseinrichtungen seien in der Zwischenzeit geschlossen worden, viele Unternehmen in die Insolvenz gegangen. Mindestens 20 000 vorher festanstellte, meist akademisch gebildete Fachkräfte sind Helfrich zufolge jetzt selbst arbeitslos. Das Gleiche gelte für etwa 30 000 Honorarkräfte, die bis dato ihren Lebensunterhalt mit Fortbildungsmaßnahmen bestritten. Für die, die noch in Lohn und Brot stünden, habe die Sparpolitik zur Folge, dass ihre Gehälter deutlich abgesunken seien - »oft bis zu dem Mindestlohnniveau von 1500 bis 1800 Euro monatlich«.
Nach Aussage von FHM-Geschäftsführer Prof. Richard Merk führt die neue Ausschreibungspraxis auch zu mangelnder Rechtssicherheit. Wiederholt seien Aufträge der Bundesagentur für Arbeit in Nachprüfungsverfahren von Oberlandesgerichten oder dem Bundeskartellamt widerrufen worden. Insgesamt, so Merk, sei die derzeitige Situation nur als »Kahlschlag unter der staatlich geförderten beruflichen Erwachsenenbildung« zu verstehen.
Mit weniger Bildung aber sei die Arbeitslosenzahl von mehr als vier Millionen nicht zu reduzieren. Merk zufolge wurden noch 2002 etwa 67 Prozent der Teilnehmer an Berufsfördermaßnamen anschließend in feste sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse weiter vermittelt -Ênicht eingerechnet jene, die sich anschließend selbstständig machten.
www.fhm-mittelstand.de

Artikel vom 14.01.2005