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»Mitnahme-Mentalität« ist Favorit

»Unwort des Jahres« wird am kommenden Dienstag bekannt gegeben

Frankfurt/Main (dpa). Am »Unwort des Jahres« scheiden sich die Geister. Die einen loben seit 1991 stets die Sensibilität der unabhängigen Jury für sprachunlogische, grob verharmlosende oder menschenverletzende Formulierungen. Die anderen kritisieren entweder die Wahl oder die Begründung der Sprachexperten.

Unabhängig davon bringen die Juroren jedes Jahr im Januar noch einmal die Themen in die Diskussion, die die politische Öffentlichkeit im Vorjahr bewegt haben, wie es der Direktor des Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim, Prof. Ludwig M. Eichinger, formuliert. Beim Unwort 2004, das am kommenden Dienstag bekannt gegeben wird, könnte es die »Mitnahme-Mentalität« aus der von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) angestoßenen Debatte über den Sozialstaat treffen.
Gute Chancen haben aber auch die im Zusammenhang mit dem Prozess gegen den Frankfurter Polizeivize Wolfgang Daschner gebrauchte Formulierung »Rettungsfolter« sowie die Wortschöpfungen »Konsumverweigerung«, »Bestandsausländer«, »Öko-Stalinist« und »Armutsgewöhnungszuschlag«. Am häufigsten fanden sich unter den 2157 Vorschlägen »Ein-Euro-Job« und »Hartz IV«. Entscheidend für die Wahl ist ein »besonders krasses Missverhältnis von Wort und bezeichneter Sache«.
Selten war die Reaktion so einmütig wie im vergangenen Jahr als »Tätervolk« zum Unwort gekürt wurde. Der von dem inzwischen aus der CDU ausgeschlossenen Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann verwendete Begriff sei schon grundsätzlich verwerflich, hatte die Jury befunden. Als »Gotteskrieger« 2001 zum Unwort gekürt wurde, bemängelte der damalige Direktor des Instituts für Deutsche Sprache, Gerhard Stickel, die Entscheidung suggeriere, dass es böse und gute Wörter gebe. Die Entscheidung für »Ich-AG« als Reduzierung von Individuen auf sprachliches Börsenniveau war 2002 nur vereinzelt auf Unverständnis gestoßen.

Artikel vom 14.01.2005