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Schöffe mit Herzinfarkt in Klinik

Prozess um Rocker-Krieg musste neu beginnen - Erste Aussage zur Tat

Von Christian Althoff
Espelkamp (WB). Der Prozess um den blutigen Rocker-Krieg zwischen den »Bandidos« und den »Outlaws« war zu viel für ihn: Ein Schöffe (60) des Landgerichtes Osnabrück hat in der Nacht zum Donnerstag einen Herzinfarkt erlitten. Die Verhandlung musste deshalb gestern von vorne beginnen - mit einem neuen Schöffen.
»Bandidos«-Präsident Wolfgang E., hier mit seinem Verteidiger Jens Meggers, schilderte die Tötung von Willi B. aus Espelkamp (kleines Foto) gestern als eine Art Notwehr.

Der Mann war erst am Dienstag zum Auftakt des Totschlag-Prozesses als Schöffe vereidigt worden. »Das martialische Auftreten der Rocker, die Gewaltschilderungen in der Anklage - das war zu viel für ihn«, erklärte gestern ein Anwalt am Rande des Prozesses. Die Ehefrau des Schöffen hatte die Vorsitzende Richterin am Morgen informiert, dass ihr Mann seine Eindrücke nicht habe verkraften können und mit einem Infarkt im Krankenhaus liege.
Gegen Mittag konnte das Verfahren mit der Verlesung der Anklage erneut beginnen. Die Nebenkläger Elfriede und Walter B. aus Espelkamp (die Mutter war ganz in Schwarz gekleidet) schienen mit den Tränen zu kämpfen, als der Staatsanwalt vortrug, wie ihr Sohn Willi am 16. Juli vergangenen Jahres Opfer des Bandenkrieges geworden war. Für den Tod des 30-Jährigen macht der Staatsanwalt den »Bandidos«-Präsidenten Wolfgang E. (45) und dessen Sohn Boris (19) verantwortlich. Der Vater soll auf den Espelkamper geschossen haben, der Sohn soll dem am Boden liegenden Opfer mit einem Knüppel den Kopf zertrümmert haben.
Zwei Stunden schilderte anschließend der Hauptangeklagte Wolfgang E., Speditionsunternehmer mit 40 Mitarbeitern und Präsident der Osnabrücker »Bandidos«, die Vorgeschichte der Tat. »Unsere Motorradclubs waren ursprünglich nicht verfeindet«, sagte er. Die Vereinsgründung der »Outlaws« aus Löhne habe man sogar 2003 gemeinsam in Löhne gefeiert. Im Frühjahr 2004 sei dann allerdings das Gerücht aufgekommen, dass die »Outlaws« auch in Osnabrück ein Vereinslokal eröffnen wollten, was gegen ein ungeschriebenes Gesetz verstoße. »Dann bekam ich telefonisch Morddrohungen, einer meiner Lastwagen wurde angezündet, und in mein Auto wurde Buttersäure gespritzt«, berichtete der Angeklagte.
Am Vorabend der Bluttat hatten Wolfgang E. und weitere »Bandidos« am neuen Osnabrücker Vereinsheim der »Outlaws« ihr eigenes Emblem über das der Löhner Motorradfahrer geklebt - »eine Provokation«, wie der Angeklagte zugab. Ein paar Stunden später, gegen 2.30 Uhr, schlugen drei »Outlaws« mit Knüppeln gegen die Haustür des »Bandidos«-Präsidenten. »Ich hatte Angst um meine Familie«, sagte Wolfgang E. Er habe seine Pistole genommen und nachgesehen. »Plötzlich flog eine Gestalt mit einem Knüppel in der Hand förmlich auf mich zu. Da habe ich reflexartig abgedrückt.« »Outlaw« Willi B. blieb leblos liegen. Er und Wolfgang E. hatten sich zuvor noch nie gesehen.
Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt.

Artikel vom 14.01.2005