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Ein großes Glas
voller Münzen
und Scheine

Tulay Aksoys private Spendenaktion

Von Paul Siegfried Schulz
(Text und Fotos)
Brackwede/Senne (WB). Sie habe geweint, als sie von dem schrecklichen Unfall und den Tod der beiden Schüler auf dem Südring Ende November erfahren habe, sagt Tülay Aksoy. Als Mutter von vier Kindern, die ebenfalls an dieser Stelle die Straße überqueren müssen, habe sie nachempfinden können, welches Leid die betroffenen Familien zu erleiden haben.

Obwohl sie Niemanden aus diesen Familien kennt und auch keine Verbindung zur Hauptschule Senne hat, beschloss sie, etwas zu unternehmen. Nämlich Spenden zu sammeln für die betroffenen Familien. Da bot sich ihre berufliche Tätigkeit besonders an. Tülay Aksoy betreibt nämlich den »Blitz-Grill« direkt vor dem Haupteingang zum OBI-Baumarkt am Südring, hat also tagtäglich Publikumsverkehr.
Dort hat sie Sammelbüchsen aufgestellt und ist auch anders aktiv geworden. So habe sie ihren Döner-Lieferanten angesprochen, der dann einen elf Kilogramm schweren Döner-Spieß spendete. Die Einnahmen aus diesem Spieß wanderten in die Spendenbüchse. Auch die aus den 72 Flaschen Coca Cola, die der Getränkelieferant spendete. Hinzu kamen gespendete Brote und andere Sachspenden.
Gestern nun konnte sie der stellvertretenden Fördervereinsvorsitzenden der Hauptschule Senne und Schulpflegschaftsvorsitzenden Elke Schnur ein großes Glas mit Münzen und Scheinen überreichen. »Knapp 500 Euro«, schätzt sie den Inhalt des Glases. Was ihr großen Dank des Schulleiters Hartmut Bondzio, des Klassenlehrers der betroffenen Schulklasse, Hans-Joachim Ludwig, der Klassenpflegschaftsvorsitzenden Birgit Schmidt und natürlich auch der Kinder einbrachte, die zur Übergabe gekommen waren.
Da ist beispielsweise Patrick. Der hat mit Abdul gesprochen, jenem Elfjährigen, der schwer verletzt das Unglück überlebt hat und derzeit in einer Reha-Klinik in Hattingen behandelt wird. Ihm gehe es schon sehr viel besser, sagt Patrick, der das Unfallgeschehen selbst bei bestimmten Anlässen noch immer vor Augen hat. So könne Abdul zwischenzeitlich auch schon mal nach Hause. Und wolle unbedingt wieder in die Schule. Und ganz schnell die Reha-Klinik verlassen.
An dem Unfall könne er sich nur ganz schwach erinnern, Einzelheiten wisse er überhaupt nicht. Auch nicht, dass zwei seiner Klassenkameraden tot sind. »Aufgabe der Ärzte wird es sein, ihm dieses schreckliche Geschehen behutsam zu erklären,« ergänzt Schulleiter Bondzio die Aussagen Patricks.
In der Schule selbst, so Bondzio weiter, habe sich die Situation mittlerweile entspannt, ohne dass die beiden tödlich verunglückten Schüler in Vergessenheit geraten seien. Es gebe noch immer eine kleine Trauerecke, in der jeden Tag eine Kerze angezündet werde und in der immer frische Blumen stünden.
Auffällig sei, dass sich das Verhältnis der Schüler und Schülerinnen untereinander sehr verändert habe. Die gingen jetzt rücksichtsvoller miteinander um. Was Klassenlehrer Ludwig nur bestätigen kann. Die Atmosphäre sei eine andere. Und die Klassenkameraden würden auf die Rückkehr Abduls warten und ihn auch unterstützen, wenn er wieder am Unterricht teilnehmen werde. Um seine Unterrichtslücken aufzuarbeiten, werde ein spezielles Programm erarbeitet, führt dazu Bondzio an. Und Ludwig ist überzeugt: »Alle werden mitziehen und Abdul dabei helfen, wieder Anschluss an den Unterrichtsstoff zu bekommen.«
Helfen wird natürlich auch der Förderverein, auf dessen Konto bisher einige, meistens kleinere Spenden eingegangen sind. Mit diesem Spendengeld soll beispielsweise die Familie von Abdul unterstützt werden. So fährt der Vater fast jeden Tag nach Hattingen, um seinen Sohn zu besuchen. Ob diese Kosten eine Versicherung abdeckt, wisse man nicht. Man werde jedenfalls seitens des Fördervereins eine finanzielle Unterstützung anbieten. Auch den beiden anderen Familien, deren Kinder bei dem Unfall ums Leben kamen.
Für Tülay Aksoy war diese Aktion indes nicht nur erfreulich. Sie sei verleumdet worden, erzählt sie, noch immer aufgebracht. So sei hinter ihrem Rücken gesagt worden, sie sei eine Betrügerin, stecke sich das Geld in die eigene Tasche. An der Hauptschule Senne wisse man überhaupt nichts von einer solchen Spendenaktion. Sie habe geweint, als sie von diesen böswilligen Gerüchten hörte.

Artikel vom 14.01.2005