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Ebbe bremst Gondoliere

Niedrigwasser in Venedig stoppt Verkehr auf Kanälen

Von Peer Meinert
Venedig/Rom (dpa). Touristen trauen ihren Augen nicht: Venedigs Gondeln liegen auf dem Trockenen. Ungewöhnliche Wetterbedingungen lassen den Wasserstand in der Lagunenstadt seit Tagen bei Ebbe so stark absinken, dass der Schiffsverkehr in vielen Kanälen zum Stillstand kommt.

Zeitweise sei nur doch der Canale Grande befahrbar gewesen. »Es gibt nicht nur Hochwasser, es gibt auch Niedrigwasser in Venedig«, beschreibt die römische Zeitung »La Repubblica« das Phänomen.
Der tiefste Stand mit 80 Zentimetern unter normal wurde vor einigen Tagen bei Ebbe gemessen. Doch bereits bei 50 Zentimetern läuft auf den kleinen Seitenkanälen nichts mehr. Das Problem: Ohne Bootsverkehr kommt das Leben in der Lagunenstadt zum Erliegen, denn sämtlicher Personen- und Güterverkehr spielt sich auf dem Wasser ab - auch Post, Ambulanz und Feuerwehr sind darauf angewiesen.
Experten führen das Spektakel auf eine besondere Wetterlage zurück: Hochdruck über Italien, verbunden mit einer Neumondphase sowie besonderen Windverhältnissen. »Acqua bassa (Niedrigwasser) ist ein typisches Phänomen im Januar und Februar«, schreibt die örtliche Zeitung »Il Gazzettino«.
»Die Stadt scheint wie ein Trugbild ihrer selbst«, berichtet dagegen die römische »La Repubblica«. »Und die Touristen sind total entsetzt.« Unangenehm sei, dass nun auch mancher Unrat, manche »Runzel der alten Dame Venedig« ans Tageslicht komme. Da falle der Blick auf eine alte Waschmaschine im Schlamm, an anderer Stelle auf rostiges Alteisen, das bisher im Wasser verborgen war.
Es ist die Schattenseite der »Serenissima«, der einst so stolzen Seerepublik, die bei niedrigem Pegel zu Tage tritt. Hinzu kommen die unfeinen Gerüche, welche die Venezianer und ihre Gäste die Nasen rümpfen lassen. Vermutlich ist dies der Grund, dass »acqua bassa« zumeist nicht so große Schlagzeilen macht wie das Hochwasser, in dem die Lagunenstadt mitunter versinkt. Mit Gummistiefeln über den Markusplatz zu laufen, macht Touristen Spaß - Gondeln im Schlamm sind dagegen ein trauriger Anblick.

Artikel vom 15.01.2005