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Leitartikel
Beben-Warnsysteme

Wie viele könnten wohl noch leben?


Von Rolf Dressler
Ungezählte Helfer aus nah und fern sind dabei, die verheerenden Folgen der Tsunami-Katastrophe zu lindern, wo immer und so gut es irgend geht. Überaus müh- sam gestaltet sich, was man im Nachrichten-Sprachgebrauch gestelzt als Aufräumarbeit bezeichnet. Das alles geschieht inmitten der Trauer von Millionen Menschen um Familienangehörige, Freunde und Vertraute, die von der gigantischen Flutwelle buch- stäblich verschlungen wurden.
Viele, zu viele Politiker indessen erliegen offenbar altgewohnten Versuchungen. Schon kehren sie zurück auf den Welt-Jahrmarkt der eitlen Selbstinszenierungen, vermeintlich um den eigenen Ruhm zu mehren im Scheinwerferlicht der Medien. Wohltätertum wirkt mächtig. Also versucht man der internationalen Konkurrenz Rang 1 abzulaufen.
Als Schall und Rauch erweisen sich leider auch schon des deutschen Bundeskanzlers wohlfeile Beteuerungen, er sei weit davon entfernt, sich auf ein Wettrennen um den Spitzenplatz der Helfer-Staaten einzulassen. Das Gegenteil ist richtig. Denn buchstäblich aus dem Hut schrieb Gerhard Schröder höchstselbst sich und seinen rot-grünen Koalitions- truppen fix ein Finanz-Zauberstückchen aufs politische Haben-Konto: »Die Bundesregierung« (!) stellt 500 Millionen Euro für den Wiederaufbau in den flutgeschädigten Staaten am Indischen Ozean zur Verfügung.« Wohlgemerkt, er sagte: »die Bundesregierung« - von »Deutschland« oder »den Deutschen« sprach er mit keinem Wort und vom »deutschen Volk« natürlich schon gar nicht, obwohl bekanntlich wir alle, die Bürger, und niemand sonst diese Hilfsgelder ebenso erarbeitet haben wie die hunderte Millionen Euro, die binnen kurzem großherzig gespendet worden sind. Und das in einer Gesellschaft, besser: in einer Bürgerschaft, die gerade auch Rote und Grüne fortwährend als angeblich zynisch kalt und zutiefst eigensüchtig zu geißeln pflegen.
Gestern nun spreizten die Damen und Herren der Berliner Regierungsriege das Gefieder nochmals kräftiger als ohnehin schon. Aber nicht nur das.
Eher beiläufig wurde dem hiesigen Publikum und der Welt draußen mitgeteilt, dass ein komplettes, hochmodernes Funksystem, das früh genug auch vor dem Seebeben in Südost-Asien hätte warnen können, schon für vergleichsweise läppische gut 40 Millionen Euro zu haben ist.
Wärmstens zu empfehlen natürlich die Produkte der deutschen Industrie, wie SPD-Forschungsministerin Edelgard Bulmahn voller Werbe-Elan hinzufügte. Klar, dass der Anstoß dazu von Kanzler Gerhard Schröder und Außenminister Joschka Fischer gekommen war. Schließlich hatten der Chef und sein »Vize« ein unmittelbar voraufgegangenes Gespräch mit Wissenschaftlern und Funktechnik-Spezialisten ausdrücklich zur Chefsache erklärt - der erhofft po- sitiven Außenwirkung wegen.
Nicht auszudenken indes, wie viele Menschen dem furchtbaren Tsunami am 26. Dezember 2004 lebend und gesund hätten entkommen können, wäre beizeiten mit Umsicht vorgesorgt worden.
Für lumpige 40 Millionen!

Artikel vom 14.01.2005