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70 und nur ein
bisschen milde

Lattek fühlt sich so fit wie mit 50

Von Oliver Kreth
Köln (WB). Seinen wöchentlichen Auftritt im TV hat er noch immer. Doch im verbalen DSF-Doppelpass macht er nicht mehr jeden Gegner unnachgiebig nass.

Das liegt zum einen daran, weil auch der ab Sonntag 70-Jährige mittlerweile leichte Anzeichen von Altersmilde nicht mehr gänzlich kaschieren kann. Aber auch, weil man nicht mehr jedes Wort des zweiterfolgreichsten Trainers (15 Titel - nur Ottmar Hitzfeld hat einen mehr) des deutschen Fußballs auf die »Goldwaage« legt.
Ans Aufhören als Kolumnist für Zeitungen und Experte für das Deutsche SportFernsehen (das DSF zeigt am Sonntag um 13.30 Uhr ein Porträt des Geburtstagskindes) denkt der gebürtige Ostpreuße, der im Bergischen Kreis (Lindlar, Wipperfürth) aufgewachsen ist, aber trotz fortgeschrittenen Alters noch lange nicht: »Ich bin absolut nicht müde und möchte mindestens bis zur WM 2006 in Deutschland weitermachen.« Schließlich beträgt sein »gefühltes« Alter nur 50, auch wenn er meint: »Ich habe kein Problem mit dem Älterwerden, aber die Zahl 70 schreckt mich schon ein bisschen.«
Damit die verbalen Lebensgeister nicht weiter erlahmen, hält sich der einst mittelmäßige Amateur-Fußballer mit Tennis, Radfahren und Skilanglauf fit, denn »18 Löcher Golf zu spielen, dass war mir immer zu wenig.«
Selbstkritisches sondert er immer noch nicht gerne ab. Schließlich »bin ich nicht gezwungen, mich nach Regeln zu richten., Wenn ich etwas sage, ist das auch meine Meinung. Es ist aber manchmal sehr pointiert, um Gehör zu finden.« Dass da schon mal gerne »zurück geschossen« wird stört ihn gar nicht: »Ich habe oft auf die Schnauze bekommen, kann aber auch gut einstecken«, bekennt der in Köln-Lövenich Ansässige, der zugibt, nur nach außen hin den Knallharten zu spielen.
Denn auch Lattek blieb in seinem Leben nicht von Schicksalsschlägen verschont. Sein 15-jähriger Sohn Dirk starb an Leukämie, er selber musste sich vor dreieinhalb Jahren einen Gehirntumor entfernen lassen. Seither lebt er das Motto »Carpe diem« (Nutze den Tag) ganz bewusst.
Vielleicht auch deshalb, weil er schon als 53-Jähriger als Trainer zurückgetreten war - abgesehen von den Kurzgastspielen in auf Schalke und bei der BVB-Rettung 2000. Als »schönste Zeit, die hängen geblieben ist«, bezeichnet er noch heute sein Engagement bei den Bayern, mit denen er zehn Trophäen holte. Als weiseste Entscheidung, 2002/2003 nicht nach Leverkusen gegangen zu sein: »Gegenüber der Leverkusener Vereinsführung ist der Baron von Münchhausen ein Wahrheitsfanatiker«, spottete er damals. Da war er ja auch noch keine 70 und noch ein bisschen weniger altersmilde.

Artikel vom 15.01.2005