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Kleiner Tadschike
kann wieder lachen

Nach schweren Verbrennungen in »Mitte« operiert

Von Sabine Schulze (Text)
Bielefeld (WB). Daheim, in Tadschikistan, wagte sich Idibek nur mit einem Verband auf die Straße: Die anderen Kinder hänselten ihn sonst. Denn nach einem Unfall - er hatte sich seine rechte Gesichtshälfte verbrüht - war nicht nur sein Auge erblindet, sondern sein Gesicht entstellt. Heute geht es dem Siebenjährigen wieder gut: Dank mehrerer Operationen durch Dr. Hisham Fansa, Chefarzt der Klinik für Plastische Chirurgie an den Städtischen Kliniken Mitte.

Mit zwei Jahren bereits erlitt der kleine Idibek Khalimov seine schweren Verbrennungen, die ihm ein normales Leben unmöglich machten. Doch er hatte das Glück, dass der Verein »Friedensdorf International« von seinem Schicksal erfuhr. »Friedensdorf« mit Sitz in Oberhausen engagiert sich für Kinder aus Kriegs- und Krisengebieten, denen in ihrer Heimat nicht geholfen werden kann.
Im Februar 2004 kam Idibek mit 120 anderen verletzten und versehrten Kindern aus seiner Heimat, aus Usbekistan und Afghanistan nach Deutschland. Die ersten Wochen verbrachte er im Friedensdorf, um sich einzugewöhnen. »Er war völlig traumatisiert«, erzählt die Erzieherin Claudia Schürmann-Evers, die ihn betreute -, im Juni kam er erstmals in die Städtischen Kliniken Mitte, wo er unentgeltlich behandelt wird. Sechs Operationen haben Fansa und sein Team mittlerweile durchgeführt. »Idibek hat dadurch ein großes Stück Eigenständigkeit gewonnen und kann wieder normal leben«, freut sich Helge Schreiber vom »Friedensdorf«. »Was Hisham Fansa geleistet hat, ist die hohe operative Kunst«, würdigt er.
Fansa und Prof. Dr. Reinhard Burk, Chefarzt der Augenklinik, haben zuerst den verbrühten rechten Augapfel herausgenommen. Danach mussten die Narben im Gesicht entfernt werden. »Verbrennungsnarben wachsen nicht mit; wenn das Gesicht wächst, ziehen sie sich weiter zusammen. Und sie sind so kräftig, dass sie sogar das knöcherne Wachstum verhindern können«, erklärt er. Die Entstellungen werden mit zunehmendem Alter also schlimmer.
Fansa entnahm daher gut durchblutete Haut vom Rücken des Kindes, schloss mikrochirurgisch die Gefäße neu an. »Das ist ein große Operation, die achteinhalb Stunden gedauert hat.« Als die Haut eingeheilt war, konnte er daran gehen, das Gesicht zu formen. »Fürs Erste sind wir fertig, vielleicht muss nach der Pubertät noch einmal operiert werden. Der Vorteil ist jetzt aber, dass das gesunde Gewebe mitwächst.«
Es blieb das Problem des fehlenden Auges. Hier half eine Epithetikerin aus Münster, die für Idibek ein künstliches Auge formte. Mittels Hautkleber kann es einfach in der Augenhöhle festgeklebt werden. Lieber hätte Fansa das Kind mit einem Implantat versorgt. »Aber bei einem Kind im Wachstum, bei dem in seiner Heimat außerdem die Pflege des Auges nicht gewährleistet ist, ist das nicht zu machen.«
In wenigen Tagen kann Idibek zurück ins Friedensdorf, im Februar geht es heim nach Tadschikistan. Aus dem verängstigten Kind ist längst ein fröhlicher Junge geworden - der Liebling der Station in »Mitte«. »Bändigen können wir ihn nur, wenn wir regelmäßig mit ihm an die frische Luft gehen«, lacht Schwester Korinna Manke. Besonders gerne mag Idibek Ausflüge in den Tierpark; dort wiederum haben es ihm die Vögel angetan.
Gewöhnt hat sich der Siebenjährige auch an die deutsche Küche. Süßes mag er zwar nicht, dafür aber jede Menge Fleisch, Pommes, Chips und zum Frühstück Weißbrot mit Kinderwurst, dazu eine Scheibe »auf die Hand«, für die die Schwestern sorgen.
Bezirzt hat Idibek auch seine Mitpatienten: Michael Feller, der im August mit ihm ein Zimmer teilte, besucht ihn regelmäßig, wenn er wieder in Bielefeld operiert wird. Seine Familie macht mit ihm Spaziergänge und wäscht auch seine Kleidung. Erst seit drei Tagen teilt Wolf Kühler mit ihm das Zimmer. Aber auch er beschäftigt sich mit dem Kind, malt mit ihm und übt an einer Uhr die Zahlen. »Idibek kann reden wie ein Wasserfall«, schmunzelt er.

Artikel vom 14.01.2005