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Karussells drehen sich halbleer

Volksfestbesucher halten Geld zurück -ÊSchausteller kritisieren Gebühren

Von Bernhard Hertlein
Bad Salzuflen (WB). Die Deutschen gehen nach wie vor gern auf Volksfeste. Vorher aber verschließen sie ihr Portemonnaie. Also gehen die Einnahmen der Schausteller dramatisch zurück. Ihr Verband fordert ein Einfrieren der meist kommunalen Standgebühren.

Nach Angaben des Vorsitzenden des Deutschen Schaustellerbundes, Albert Ritter, gaben die Deutschen 2001 etwa 22 Euro für einen Volksfestbesuch aus -Êeinschließlich solcher Kosten wie Busticket oder Parkgebühr. Diese Zahl habe sich seitdem halbiert. Im gleichen Zeitraum sei der Umsatz der Branche von 3,92 auf geschätzte 2,1 Milliarden Euro zurückgegangen. Ritter zitierte eine Studie aus München, wonach 450 000 der 6,5 Millionen Oktoberfest-Besucher 2003 die Wiesn genossen, ohne einen einzigen Cent auszugeben.
»Wir sind keine Berufsjammerer«, erklärte Ritter gestern im Vorfeld des heute in Herford beginnenden Bundesdelegiertentages der Schausteller. »Aber dass wir solche Rückgänge nicht einfach wegstecken können, liegt auf der Hand.« Vor allem kleine ländliche Feste seien nicht mehr rentabel.
Der aus Süddeutschland stammende Betreiber einer Losbude rechnete gestern vor, dass er von den 500 000 Euro Umsatz, die er 2004 erzielte, 128 000 Euro allein für Standgebühren abgeben musste. »Seit Jahren geht die Schere der Kosten und Belastungen im Gegensatz zu den Gewinnen kontinuierlich auseinander«, heißt es in einer Resolution der Schausteller an Städte und Gemeinden. Vor allem nach Privatisierungen kletterten die Gebühren oft stark in die Höhe. Im Gegenzug könnten die Schausteller ihre Preise angesichts der Konsumzurückhaltung ihrer Kunden seit Jahren nicht anheben, erläuterte Ritter. Die Schausteller überlegten es sich heute drei Mal, ob sie die Ausgaben für ein neues Fahrgeschäft -Êbis zu drei Millionen Euro -Ênoch aufbringen könnten. Wenn dies so weiter gehe, sei das Kulturgut Volksfest gefährdet -Êtrotz der jährlich 178 Millionen Besucher.
Nach Aussage von Theo Rosenzweig, Vorsitzender des 110 Jahre alten Mitteldeutschen Schaustellervereins Herford, bildet Ostwestfalen-Lippe bei der Gebührenspirale keine Ausnahme. Dabei seien die Städte doch rechtlich gehalten, nur soviel an Gebühren zu nehmen, wie an Kosten entstünden.
Das Jubiläum des mitteldeutschen Vereins ist Anlass, dass der deutsche Schaustellerbund in diesem Jahr in Herford tagt. Insgesamt zählt der Bundesverband 90 selbständige Vereine als Mitglieder. Angeschlossen sind 4500 Schaustellerbetriebe, das sind 90 Prozent der Branche in Deutschland, mit 45 000 festangestellten Beschäftigten. Damit ist der Deutsche Schaustellerbund weltweit Nummer 1. Zur Jubiläumskundgebung am Samstag erwartet er Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement. S. 4: Kommentar

Artikel vom 13.01.2005