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Ein Gewächshaus fürs Unkraut

Universität investiert 1,8 Millionen Euro in Glashaus und Rechner

Von Sabine Schulze
Bielefeld (WB). Die älteren Universitäten haben zuweilen einen Botanischen Garten. Bielefeld dagegen hat seit gestern ein neues Gewächshaus voller Unkraut. Und das hat auch noch knapp 1,3 Millionen Euro gekostet - Geld, das nach einhelliger Meinung aber sehr gut investiert ist.

Nach sechsmonatiger Bauzeit ist das »hochinstallierte« Gewächshaus, das an das ältere Glashaus anschließt, gestern Mittag eingeweiht worden. 125 Quadratmeter »Tischfläche« stehen den Forschern hier zur Verfügung. Die Temperatur kann kontrolliert, Tische können abgeschattet werden (bis hin zur völligen Verdunkelung), die Tageslänge ist für die Pflanzen zu steuern und für gleichmäßiges Licht für alle Pflanzen sorgen langsam über die Tische dahinfahrende Lampen. Ein Clou, so Helmut Diederichs vom NRW-Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) ist, dass das Gewächshaus aus vier Kabinen besteht, in denen verschiedene klimatische Bedingungen zu simulieren sind. Und damit garantiert keine Fremdpollen eingeschleppt werden, sind die Lüftungsklappen von feinstmaschigem Edelstahlgewebe umhüllt.
Vor allem die kleine »Ackerschmalwand«, Arabidopsis thaliana, wird hier künftig gezogen werden. Denn was Hobbygärtner als Unkraut ausrupfen, ist für die Wissenschaftler eine ideale Modellpflanze: So will Prof. Dr. Bernd Weißhaar ihr Genom erforschen, um zu klären, welche Funktion die einzelnen Gene haben. »Uns interessiert, wie die Pflanze Pigmente herstellt, wie die Abwehr gegen Schädlinge funktioniert, wie die Pflanzen untereinander kommunizieren - denn das tun sie«, sagt Weißhaar. Jede Menge »Warum-Fragen« haben er und seine Kollegen: »Wir sind hauptsächlich neugierig und betreiben vor allem Grundlagenforschung.«
Die ist gleichwohl eingebunden: »80 bis 85 Prozent des Kalorienbedarfs deckt die Menschheit durch pflanzliche Nahrung. Da ist es wichtig, Pflanzen zu verstehen«, sagte Biologie-Dekan Prof. Dr. Karl-Josef Dietz bei der Einweihung. Bei der zunehmenden Versalzung von landwirtschaftlicher Fläche (betroffen seien etwa 25 Prozent) ist zum Beispiel ein Ziel der Forscher, die Salz-Toleranz der Pflanzen zu erhöhen. Erforscht werden ebenso die Konkurrenz von Wild- und Kulturpflanzen (die immerhin fünf- bis zehnprozentige Ernteverluste beschert) oder Anpassungsprobleme und Krankheiten von Pflanzen. »Für all dies bedeutet das Gewächshaus einen wichtigen Schritt.«
Die Masse von Daten, die Weißhaar und seine Kollegen gewinnen werden, die pflanzliche Genomforschung benötigt viel Bioinformatik: Rechnerkapazität und Speicherplatz müssen entsprechend groß sein. Da die Universität Bielefeld zudem Sitz eines der Kompetenznetzwerke der Genomforschung an Bakterien ist und soeben vom Forschungsministerium zum bundesweiten Bioinformatik-Zentrum erkoren wurde, war auch hier ein Aufrüsten nötig. Insgesamt 600 000 Euro wurden in einen neuen Rechnercluster des Centrums für Biotechnologie (CeBiTec) investiert. Auch er wurde gestern eingeweiht.
Installiert wurden die 256 neuen Prozessoren im Rechenzentrum der Hochschule. Mehr als 200 Programme für bioinformatische Analysen stehen den Anwendern zur Verfügung, rund um die Uhr arbeiten jetzt mehr als 500 Prozessoren im vergrößerten und klimatisierten Maschinenraum des Rechenzentrums. Für unterbrechungsfreie Stromversorgung ist ebenso gesorgt wie für ein elektronisches Zutrittssystem, betont Bernd Nienaber vom HRZ. »Der Maschinenraum ist wohl einer der modernsten an einer deutschen Hochschule, und was die Bioinformatik-Rechnerleistung angeht, sind wir Weltspitze.« Gleichwohl will man in Bielefeld aber mehr: »Kurzfristig reicht diese Rechneranlage, mit Blick in die Zukunft nicht«, sagt CeBiTec-Sprecher Prof. Dr. Alfred Pühler. Die Universität verhandelt bereits mit dem Ministerium über weitere 4,5 Millionen.
Angesichts allgemein knapper Mittel mehr als zufrieden über die jüngsten Entwicklungen und die glänzende Positionierung der hiesigen Hochschule zeigten sich gestern Rektor Prof. Dr. Dieter Timmermann, Kanzler Hans-Jürgen Simm und Forschungs-Prorektor Prof. Dr. Norbert Sewald. »Wir sind auf einem guten Weg und mit diesen Ressourcen international sichtbar.«

Artikel vom 13.01.2005