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Teamchef Kühnen hat
seine Erwartungen

Australian Open sollen besser laufen als vor einem Jahr

Melbourne (dpa). Die deutschen Tennis-Profis wollen nach der Magerkost des Vorjahrs beim 100. Geburtstag der Australian Open wieder mal ein großes Stück vom Preisgeld-Kuchen abbekommen.
Doch schon gleich zu Beginn des mit elf Millionen Euro dotierten Grand-Slam-Turniers drohte Aderlass, obwohl Daviscup-Kapitän Patrik Kühnen seinen Schützlingen Thomas Haas, Nicolas Kiefer und Rainer Schüttler nach überwundenen Blessuren einiges zutraute. »Wenn die drei gut drauf sind, kann man sicher was erwarten. Ich bin relativ positiv eingestellt«, sagte Kühnen.
Vor einem Jahr hatte nur Florian Mayer dem Teamchef einen Sieg serviert. Der Bayreuther hat seinen grippalen Infekt überwunden und wartet voller Ungeduld auf seinen Auftakt morgen gegen den gefährlichen Amerikaner James Blake. Danach winkt ein Vergleich mit Lokalmatador Lleyton Hewitt, der nicht nur von Branchenführer Roger Federer als ein möglicher Champion bezeichnet wird. »Ich möchte einfach mal gegen ihn spielen, das wäre eine gute Erfahrung«, sagte Mayer gestern nach dem Training.
Angst hätte er vor dem Spektakel in der Höhle des Löwen nicht. Nicht mehr. »Ich bin nicht mehr so nervös wie noch vor einem Jahr«, erklärte Mayer, der eigenen Angaben zufolge auch die beiden Niederlagen in Bratislava im Kampf um den Daviscup-Wiederaufstieg gegen die Slowakei verarbeitet hat. »Auch vor einem Spiel gegen Hewitt in der Rod-Laver-Arena könnte ich gut schlafen.«
Die schwerste Aufgabe der acht deutschen Herren hatte freilich Grand-Slam-Debütant Dieter Kindlmann vor sich. Der 22 Jahre alte Qualifikant aus München bekam es mit Andre Agassi zu tun, der nach abermaliger Hüftverletzung klarstellte: »Ich spiele hundertprozentig.« Das geplante Training mit dem von einer Oberschenkel-Verletzung geplagten Haas fand jedenfalls statt.
Der in Florida lebende zweimalige Halbfinalist hatte sich für den Turnierauftakt gegen den Belgier Xavier Malisse viel vorgenommen und wollte den via TV mitfiebernden heimischen Fernsehzuschauern am Montagvormittag Wiedergutmachung für die Pleite in Wimbledon 2004 bieten. Seine beim Hopman Cup erlittene Blessur spüre er zwar »noch ein bisschen beim Aufschlag, aber das dürfte kein Problem sein«, meinte Haas, der Titelverteidiger Federer wieder als Top-Favorit sieht. Der Schweizer schlug im Finale von Kooyong 6:4, 7:5 den Amerikaner Andy Roddick, der in Melbourne an zwei gesetzt ist.
Der zweimalige Australian-Open-Viertelfinalist Kiefer war froh, zum Auftakt gegen Olivier Rochus überhaupt auf dem Platz stehen zu können. Nach weithin auskurierter Grippe steckte ihm der Schrecken vom Freitag noch in den Knochen, als ein bewaffneter Mann auch ihn vor dem Spieler-Hotel bedroht hatte. »Ich sehe das Bild noch vor mir, wie der Typ mit der Knarre zehn Meter von mir entfernt steht. Das war im Prinzip mein zweiter Geburtstag«, sagte der 27-Jährige.
Seine Erwartungen schraubte Kiefer nicht nur wegen der vor vier Monaten bei den US Open erlittenen Handgelenksverletzung und der daraus resultierenden spielerischen Defizite herunter. Auch die Niederlage gegen Rochus vor zwei Wochen in Adelaide trübte seine Zuversicht, zumal der Belgier in Auckland erst im Finale mit 4:6, 2:6 Olympiasieger Fernando Gonzalez aus Chile unterlag. Kiefer sagte: »Er hat einen richtig guten Lauf. Ich freue mich, dass ich gleich eine Revanche bekomme.«
Auch sein olympischer Doppel-Partner Schüttler konnte sich am Montag gegen den französischen Qualifikanten Olivier Patience für seine Erstrunden-Pleite in Chennai rehabilitieren. »Ich hoffe, dass ich alles anders mache. Dort habe ich alles falsch gemacht«, meinte der Finalist von 2003.
Ohne Druck startet das deutsche Damen-Quartett. 2004 hatte von Steffi Grafs Erbinnen nur Anca Barna einen Sieg geholt. Eine bessere Ausbeute als vor zwölf Monaten sollte dem Aufgebot des Deutschen Tennis Bundes (DTB) zuzutrauen sein.

Artikel vom 17.01.2005