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»Einer kann nur recht haben«

Janssen tritt nach unterschiedlichen Angaben über VW-Bezüge zurück

Hannover (dpa/ddp). In der Affäre um Gehaltsbezüge von VW hat der niedersächsische SPD-Bundestagsabgeordnete Jann-Peter Janssen am Freitag Konsequenzen gezogen und sein Mandat niedergelegt.
Der 59-Jährige aus Norden reagierte damit auf unterschiedliche Angaben, die er und der VW-Konzern gemacht hatten. Volkswagen hatte erklärt, Janssen habe nach seiner Wahl in den Bundestag 1994 noch bis Ende 2004 von VW Gehalt bezogen. Der Abgeordnete, der Betriebsrat bei Volkswagen im Werk Emden war, hatte dies dagegen ausdrücklich bestritten.
SPD-Landeschef Wolfgang Jüttner sagte, die Partei habe Respekt vor dem Rücktritt. »Einer kann nur Recht haben. Der SPD hilft, wenn wir nicht in komplizierten Schlagzeilen sind.« Er werde daran arbeiten, dass die noch offenen Fragen im Zusammenhang mit anderen Abgeordneten schnellst möglich aufgeklärt werden. »Niemand kann nachvollziehen, wenn für Nichtarbeit eine Entlohnung erfolgt«, sagte Jüttner. Nachfolger von Janssen werde der 26-jährige Lars Klingbeil aus Soltau.
Nach dem Janssen-Rücktritt attackierte der hannoversche VW- Betriebsratschef und SPD-Landtags-abgeordnete Günter Lenz Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) scharf. »Wulff schadet Volkswagen«, sagte Lenz. Wulff wolle das »System Volkswagen diskreditieren« und ziele dabei vor allem auf die Rolle der Gewerkschaften. Lenz gehört zu den sechs Abgeordneten, deren Namen VW am Donnerstag genannt hatte.
Weiter unklar bleibt, inwieweit andere von Volkswagen bezahlte Abgeordnete tatsächlich für den Konzern gearbeitet haben. Die beiden SPD-Landtagsabgeordneten Hans-Hermann Wendhausen und Ingolf Viereck sehen nach Angaben ihrer Fraktion aber keine Notwendigkeit, ihre Landtagsmandate niederzulegen oder bis zu einer restlosen Klärung der Umstände ruhen zu lassen.
Nach Angaben von Siemens üben mehr als 400 Mitarbeiter des Konzerns politische Mandate aus, davon zwölf als hauptamtliche Politiker. Wie Siemens-Chef Heinrich von Pierer der Tageszeitung »Die Welt« sagte, sitzt einer davon im Bundestag, vier in Landtagen, und sieben arbeiten als Bürgermeister. Politischer Einfluss zugunsten des Unternehmens werde von ihnen nicht ausgeübt und auch nicht erwartet. »Wir wollen doch, dass mehr wirtschaftlicher Sachverstand in die Politik kommt«, fügte er hinzu und betonte: »Deshalb fördern wir als Unternehmen, dass gute Mitarbeiter in die Politik wechseln.« Im Gegensatz zur landläufigen Meinung halte er Regierungsmitglieder und Abgeordnete nicht für über-, sondern eher für unterbezahlt, sagte Pierer weiter.
Unterdessen wurden die Forderungen nach härteren Regeln und mehr Transparenz für die Nebeneinkünfte von Politikern immer lauter. SPD-Parteichef Franz Müntefering erklärte, er halte präzisere Regeln und entsprechende Strafen für notwendig.
Am Dienstag wollen die Parlamentarischen Geschäftsführer das Thema auf Bitte von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse erörtern. Thierse warnte vor dem »gläsernen Abgeordneten«, der alle Nebeneinkünfte offen legen soll. FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt sprach sich grundsätzlich gegen eine Verschärfung der Regelungen für Nebeneinkünfte aus. »Wir alle müssen diese Tätigkeiten dem Bundestagspräsidenten anzeigen mit genauer Angabe.«
Eine deutliche Mehrheit der Deutschen (79 Prozent) plädiert laut ZDF-Politbarometer dafür, die Höhe der Nebeneinkünfte von Bundestagsabgeordneten zu veröffentlichen.

Artikel vom 15.01.2005