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Abtauchen in den Titan-Nebel

Europäische Sonde Huygens soll den Saturn-Mond erkunden

Darmstadt (dpa/Reuters). Was schreibt man jemandem, den man nicht kennt und der irgendwo in den Tiefen des Weltalls wohnt? »Wir kommen in Frieden und sind auf der Suche nach einer einfachen Antwort von Euch«, lautet die Botschaft von Michael Blum.
Mit einer Geschwindkeit von 22 000 Kilometern in der Stunde rast die Sonde Huygens in die Titan-Atmosphäre.

Seine Zeilen sind - zusammen mit 80 000 weiteren Grüßen auf eine CD-ROM gebrannt - gerade mit der europäischen Sonde »Huygens« auf dem Weg zum Saturn-Mond »Titan«. Die Europäische Raumfahrtagentur (ESA) hatte mit dem Projekt natürlich nie ernsthaft vor, mit Außerirdischen Kontakt aufzunehmen. »Wir haben vielmehr versucht, die Bürger in unser Raumfahrtprogramm einzubeziehen«, sagt Sprecherin Jocelyne Landeau in Darmstadt. Von Dezember 1996 bis Februar 1997, wenige Monate vor dem Start der Saturn-Sonde, konnte jeder, der wollte, im Internet seine Mitteilung aufschreiben, aufsagen oder einfach nur seine Unterschrift hinterlassen. Die CD-Scheibe wurde dann neben dem Hitzeschild von »Huygens« montiert. Die meisten Beteiligten machten nicht viele Worte: »Hallo Weltraum« oder »Besucht uns doch mal«. Andere nutzten das Forum für Liebesschwüre, wie sie früher in Baumrinden geritzt waren.
Das Ende der planetaren Flaschenpost ist vorgezeichnet. »Die CD wird wahrscheinlich schon den Eintritt in die Titan-Atmosphäre nicht überleben«, sagt Missions-Manager Jean-Pierre Lebreton. Sollte sie wider Erwarten nicht bei der großen Reibungshitze schmelzen, wird sie später beim Aufprall auf den Mond bei Minus 180 Grad tiefgefroren.
Am Freitagvormittag soll Huygens in die smogverhangene Atmosphäre des größten Saturnmondes Titan eindringen und damit nach gut siebenjähriger Reise und dreieinhalb Milliarden Kilometern ihren Auftrag erfüllen.
Die nach dem niederländischen Astronomen Christiaan Huygens benannte Kapsel soll an Fallschirmen in der trüben Gashülle des rötlich schimmernden Titan niedergehen und während ihres zweieinhalbstündigen Abstiegs so viele Daten wie möglich über die Zusammensetzung der Atmosphäre und über das Titan-Wetter liefern. Die ESA hofft, dass die untertassenförmige Sonde möglichst lange Informationen sendet. Mit einem Durchmesser von 5150 Kilometern ist der Titan etwa halb so groß wie die Erde und damit der zweitgrößte Mond im Sonnensystem. Zugleich ist er dort der einzige, der eine Atmosphäre besitzt - mit Wolken, Wind und Wetter. Auf seiner Oberfläche gibt es wahrscheinlich sogar Seen, die allerdings aus flüssigem Methan bestehen dürften, dem Hauptbestandteil von Erdgas.
Die Oberfläche des Titan dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach der der Erde in ihrer Frühphase ähneln - mit Bedingungen, wie sie auf unserem Planeten zur Entstehung einfachster Lebensvorformen führten. Flüssiges Wasser, was allgemein als Voraussetzung für die Entwicklung von Leben gilt, gibt es allerdings wegen der bitteren Kälte auf dem Titan nicht. Die Ozeane und die Atmosphäre des Mondes aber sind vielleicht der so genannten Ursuppe ähnlich, in der sich vor vier Milliarden Jahren die Entwicklung des Lebens auf der Erde ankündigte.
Der Abteilungsleiter für planetarische Missionen bei der ESA, Gerhard Schwehm, ist daher sehr zuversichtlich, Leben ermöglichende Bestandteile der Ursuppe nachzuweisen.
Die Sonde wird erst eine Viertelstunde vor dem Eintritt in die Atmosphäre »aufgeweckt«. Für Fotografien und Messungen bleiben gerade 140 Minuten Zeit. Den Aufschlag auf der Oberfläche dürfte sie allerdings nicht lange überstehen.
www.esa.de

Artikel vom 13.01.2005