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Leitartikel
Familienpolitik gescheitert

Schwer erziehbare Politiker


Von Jürgen Liminski
Überraschend sind die Zahlen nicht. Alle paar Monate werfen die Umfrage-Institute neue Befunde zum Geburtendefizit in Deutschland auf den Markt. Die Politik pickt sich dann das heraus, was sie nach der gerade vorherrschenden Meinung gebrauchen kann. So werden in der aktuellen Forsa-Umfrage sowie in einem Zahlenwerk von Allensbach vor ein paar Monaten finanzielle Belastungen mit als stärkstes Motiv für die Kinderlosigkeit angegeben. Politiker meinten, solche Fakten sind Nebensache. Nur eine dichtere Betreuungsstruktur würde Abhilfe schaffen und Kindersegen bringen.
Man braucht beides, Geld und Betreuung. Im Osten haben wir eine flächendeckende Betreuungsstruktur und dennoch eine Geburtenquote, die noch unter dem mageren Gesamtdurchschnitt liegt. In West und Ost herrscht Angst vor dem Verlust der Arbeit, und dass Familien Geld fehlt, schlägt sich seit Jahren in Armutsberichten nieder. Aber das erklärt nicht alles.
Seit 1972 schon liegt die Geburtenrate unter jener der bittersten Kriegsjahre 1917/18 und 1945. Die Deutschen sind kinderentwöhnt, viele haben vergessen oder noch nie erlebt, wie das Herz aufgeht, wenn ein Baby lacht. Die Fixierung auf den Wiederaufbau des Landes, auf die Sicherung des Wohlstands und auf die eigene Karriere haben das Urmenschliche, die Sehnsucht nach Glück und Liebe, verdrängt. Viele junge Leute wurden so beziehungsunfähig. 44 Prozent der Kinderlosen fehlt »der richtige Partner«, sagen sie. Aber den Prinzen und die Prinzessin gibt es nicht, Liebe heißt auch immer ein Stück selbstlose Hingabe.
Eine persönliche Tragik mit gesellschaftlicher Sprengkraft. Die 44 Prozent sind die Frucht einer Politik, die die Mutterschaft konsequent vernachlässigt und als Heimchen am Herd verunglimpft hat. Christa Meves hält seit mehr als dreißig Jahren dagegen, viele Forscher haben ihre Arbeit inzwischen bestätigt. Die Liebe ist es, die trägt und erträgt. Die Politik macht es den Menschen nicht leicht. Im Gegenteil, die derzeitige Familienpolitik aller Parteien, auch der Union, verhindert die Leistungsgerechtigkeit für Familien. Viele Frauen müssen einer außerhäuslichen Erwerbsarbeit nachgehen, damit die Familie finanziell über die Runden kommt. Sie sind doppelt belastet und leisten den wichtigeren Beruf als Hausfrau und Mutter nahezu umsonst.
Viele würden lieber mehr Zeit mit den Kindern verbringen und so auch besser erziehen können. Politik und Wirtschaft gönnen es ihnen nicht. So aber können junge Leute kaum ihren Herzenswunsch (mehr als 80 Prozent der jungen Leute geben in fast allen Umfragen der letzten Jahre eine treue Partnerschaft und ein Familienleben mit Kindern als erste Lebensziele an) erfüllen.
»Mehr Kinder, mehr Leben« heißt die Studie. Rousseau meinte, »viele Kinder haben schwer erziehbare Eltern«. Heute muss man feststellen: Die Deutschen haben schwer erziehbare Politiker. Mit ihnen wird es weder mehr Kinder noch mehr Lebensperspektive geben.

Artikel vom 17.01.2005