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Blutiger Kampf ums Rocker-Revier

Mann aus Espelkamp erschossen - »Bandidos«-Präsident und Sohn vor Gericht

Von Christian Althoff
Espelkamp (WB). Ein Vater (45) und sein Sohn (19) müssen sich seit gestern vor dem Landgericht Osnabrück wegen Totschlags verantworten. Als Mitglieder der Rockergruppe »Bandidos« sollen die beiden einen Mann (30) aus Espelkamp (Kreis Minden-Lübbecke) getötet haben, der den verfeindeten »Outlaws« angehörte.
Willi B. aus Espelkamp erlag den Schussverletzungen.

Die etwa 100 Zuschauer, die zum Prozessauftakt gekommen waren, wurden von Justizbeamten gründlich auf Waffen durchsucht. Jeden Hemdkragen tasteten die Beamten auf versteckte Rasierklingen ab, jeder Gürtel wurde genau inspiziert. Selbst ihre Schuhe mussten die Zuschauer ausziehen, damit die Justizbeamten unter Einlegesohlen nach versteckten Messerklingen suchen konnten. »Wir gehen kein Risiko ein. Schließlich hat der Krieg zwischen den beiden Rockergruppen schon ein Menschenleben gekostet«, erklärte Gerichtssprecher Franz-Michael Holling.
Etwa 20 Mitglieder der »Bandidos«, die entsprechend bestickte Jeanswesten und Lederjacken trugen, standen schweigend von den Zuschauerbänken auf und hoben ihre Hand zum Gruß, als ihre Anführer Wolfgang E. (45) aus seiner Zelle in den Gerichtssaal gebracht wurde. Er grüßte lächelnd und mit geballter Faust zurück. Dann nahm er auf der Anklagebank Platz, wo er seinen ebenfalls angeklagten Sohn Boris (19) umarmte und küsste.
Schon seit Jahren ist Wolfgang E. Anführer der Osnabrücker »Bandidos«, die das Stadtgebiet für sich beanspruchen. »Nach den Regeln dieser Rockergruppen ist das Terrain anderer Gruppen zu respektieren«, sagte der Gerichtssprecher. Trotzdem hatte der Rockerclub »Outlaws« aus Löhne (Kreis Herford) im vergangenen Jahr sein angestammtes Gebiet ausgeweitet und in Osnabrück ein Vereinslokal eröffnet. Darauf kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den verfeindeten Motorradfahrergruppen. Seinen blutigen Höhepunkt erreichte der Bandenkrieg am 16. Juli vergangenen Jahres in Wallenhorst (Landkreis Osnabrück). Es war frühmorgens gegen 2 Uhr, als vor dem Haus von Wolfgang E. Mitglieder der verfeindeten Gruppen aufeinandertrafen, unter ihnen auch »Outlaw« Willi B. aus Espelkamp, verheiratet und Vater eines Kindes. »Im Verlauf dieser Auseinandersetzung haben Sie aus ein bis zwei Metern Entfernung mehrfach auf das Opfer geschossen!«, warf Staatsanwalt Heinz-Wilhelm Voß gestern dem »Bandidos«-Boss vor. Willi B. sei von zwei Kugeln tödlich verletzt worden, sagte der Staatsanwalt. Dennoch habe der Sohn des Hauptangeklagten zu einem Baseballschläger gegriffen und den Kopf des am Boden liegenden Opfers zertrümmert.
Vater und Sohn verfolgten die Verlesung der Anklageschrift äußerlich teilnahmslos. Anschließend erklärten sie, morgen, am zweiten Verhandlungstag, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Dann werden die beiden Angeklagten erstmals auch den Eltern und den fünf Geschwistern des Opfers begegnen, die als Nebenkläger auftreten und nicht zum Prozessauftakt erschienen waren. An die »Bandidos« im Zuschauerraum gerichtet sagte die Vorsitzende Richterin, sie erwarte morgen ein respektvolles Benehmen gegenüber den Hinterbliebenen: »Wer ihnen mit Häme begegnen sollte, wird aus dem Saal gewiesen«, kündigte sie an.
Rechtsanwalt Klaus Rüther, der Eltern und Geschwister des getöteten Motorradfahrers vertritt, sagte am Rande des Prozesses, er strebe eine höchstmögliche Verurteilung der Angeklagten an. Über die Familie des Opfers sagte er, es handele sich »um streng gläubige und hart arbeitende Menschen. Auch wenn Willi vielleicht etwas aus der Art geschlagen war und es Differenzen mit seinen Eltern gab: Er gehörte zur Familie und hinterlässt eine Lücke. Und das wollen die Angehörigen am Donnerstag mit ihrer Anwesenheit im Gerichtssaal dokumentieren.«

Artikel vom 12.01.2005