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»Befriedigung aus der Macht«

Psychiatrie-Professor Michael Osterheider sieht willkürliche Wahl der Opfer

Von Wolfgang Schäffer
Attendorn/Bremerhaven/Regensburg (WB). In »Macht, Kontrolle, Gewalt oder auch dem Töten als solches« findet nach Einschätzung von Michael Osterheider, Professor für forensische Psychiatrie an der Uni Regensburg, der mutmaßliche Kindermörder Marc Hoffmann möglicherweise seine Befriedigung.

»Schwer gestörte Persönlichkeiten sind nicht an einem normalen Sexualverhalten zu messen«, erklärte Osterheide, der vor seiner Professur in Regensburg viele Jahre Chef der forensischen Kliniken des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe in Lippstadt-Eickelborn war, gestern im Gespräch mit dieser Zeitung. So habe vermutlich auch der 31-Jährige, der die Morde an den beiden achtjährigen Kindern Levke und Felix gestanden hat, seine Opfer »vollkommen willkürlich« ausgewählt.
»Wichtig ist diesen Tätern, dass sie kein großes Risiko eingehen und die Opfer ohne große Gegenwehr verfügbar sind, um ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.« Dazu zähle zunächst einmal die körperliche Überlegenheit des Verbrechers, der vermutlich mit »großer Gewalt und ohne viel zu reden« vorgegangen sei. Für Osterheider ist es, im Gegensatz zu Polizeifachleuten, nicht unbedingt die ganz große Überraschung, dass Hoffmann seinem Geständnis zufolge sowohl einen Jungen als auch ein Mädchen ermordet hat. Auch die zurückliegenden Vergehen wie die versuchte Vergewaltigung in Attendorn Anfang der 90er Jahre sowie die Fesselung einer geistig behinderten 17-Jährigen später im Raum Bremen passen nach Worten des Experten genau ins Bild eines Sexualverbrechers mit einer schwer gestörten Persönlichkeit.
Für Osterheider nämlich ist durchaus vorstellbar, dass Hoffmann, der das Zusammenleben mit seiner zehnjährigen Tochter wahrscheinlich als bürgerliche Fassade genutzt habe, seine Befriedigung ausschließlich im Töten oder gar im Missbrauch der Leichen findet. »Verbrechen dieser Art liegt oft ein tief verwurzelter Sadismus zu Grunde. Die Analysen der Gutachter werden hier vielleicht Aufschluss bringen.« Auch für Professor Osterheider ist durchaus vorstellbar, dass Marc Hoffmann weitere Verbrechen begangen hat.
Oberstaatsanwalt Burkhard Vonnahme hofft, über Hoffmanns Paderborner Anwalt Jost Ferlings an weitere Aussagen des 31-Jährigen zu kommen. Der hatte am Freitag in einem Gespräch mit seinem Anwalt erklärt, Felix getötet und in die Geeste geworfen zu haben. Das Fahrrad des Jungen hatte er seinen Aussagen zu Folge in den Biggesee geworfen. Dort, wo von ihm auch Kleidungsstücke der getöteten Levke aus Cuxhaven versenkt und gefunden worden waren. Eine groß angelegte Suchaktion blieb gestern ohne Erfolg. Sie soll heute fortgesetzt werden. Eine DNA-Analyse hat endgültig bestätigt, dass es sich bei der gefundenen Leiche um Felix handelt. Das teilte die Soko gestern Abend mit. Der Achtjährige soll am Freitag beerdigt werden.
Unterdessen suchen Ermittler in Bremen nach konkreten Parallelen zwischen dem Mord an der Zehnjährigen Adelina und den Fällen Felix und Levke. Adelina war im Juni 2001 nahe ihrer Wohnung verschwunden. Wochen später wurde ihre Leiche entdeckt.
Zudem sucht das Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt Zusammenhänge zum Fall Maria. Das sieben Jahre alte Mädchen aus Haldensleben war im November 1995 entführt, sexuell missbraucht und ermordet worden. Ihre Leiche war in einem Teich unweit von Haldensleben entdeckt worden.
Inzwischen sind eine Reihe von Hinweisen von Bekannten Marc Hoffmanns eingegangen, die von den Sonderkommissionen Levke und Felix als »durchaus brauchbar« eingeschätzt werden. Dies bedeutet, dass die Hinweise Rückschlüsse auf Aufenthaltszeiten des 31-Jährigen an bestimmten Orten zulassen und so ihren Teil zur Erstellung eines Bewegungsbildes beitragen.

Artikel vom 12.01.2005