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Blick der Grünen zurück nach vorn

25 Jahre - Ein Jubiläum ohne Feier, aber Tagungsthema der Böll-Stiftung

Von Ruth Lindenberg
Berlin (dpa). Gefeiert wird nicht. Die Grünen lassen ihr Vierteljahrhundert-Jubiläum am heutigen 13. Januar verstreichen: Den vorgezogenen Geburtstag beging die Partei mit dem Markenzeichen Sonnenblume im vergangenen Jahr.
Reinhard Becker »schuf« mit Kommilitonen die Sonnenblume. Hinten das Original. Foto: Pierel
Für Ende Januar hat die Heinrich-Böll-Stiftung unter dem Motto »Blick zurück nach vorn« zu einer ausführlichen Standortbestimmung der Partei eingeladen. Altgediente Grüne wie der Vorsitzende Reinhard Bütikofer und der DDR-Bürgerrechtler Werner Schulz werden dabei ebenso diskutieren wie die jüngere Grünen-Prominenz, die der Plakatierung »Ein-Generationen-Partei« entgegentritt. Eine weitere Diskussionsrunde soll Kurs-Fragen nach »links, liberal, konservativ oder revolutionär« beantworten.
Als prominenter Außenseiter ist dazu auch der frühere CDU-Fraktions- und Parteichef Wolfgang Schäuble eingeladen. Die Heimat des konservativen Baden-Württembergers ist auch eines der Stammländer der Grünen. Dort in Karlsruhe fand vor einem Vierteljahrhundert - am 12. und 13. Januar 1980 - die faktische Parteigründung statt, nachdem der Vorläufer »Sonstige politische Vereinigung« bei der Europawahl 1979 durchgefallen war.
Die neue Partei war vom Start weg erfolgreich. 1983 zog sie in den Bundestag ein, ein Jahr später ins Europaparlament. 1990 schafften die Westgrünen die Wiederwahl in den Bundestag nicht: die Wähler bestraften, dass die Wessis die deutsche Einheit nicht weiter wichtig fanden. Ostdeutsche vom Bündnis 90 hielten die Stellung bis zum Wiedereinzug ins Parlament im Jahr 1994.
In jenen Jahren wurde aus der »Anti-Parteien-Partei« ein etablierter Teil des Parteiensystems. Statt ständig radikalste Sofortlösungen zu fordern, haben sie das Bohren dicker Bretter gelernt. Der Wandel zeigt sich. Rübezahlbart, Strickliesel und Turnschuhminister sind out. Manches Grünen-Meeting heute wird zum Stelldichein der Bessergekleideten. Die Umformung begann nach einem letzten chaotischen Parteitag 1991. Der unterlegene fundamentalistische Flügel, der Regierungsbeteiligung strikt ablehnte, wanderte ab.
Echt grüne Handschrift trägt bis heute die Umwelt- und Zuwanderungspolitik. Die anfangs vielbelästerte Frauenquote setzte sich auch in anderen Parteien durch. Als Besonderheit ist die Doppelspitze in Parteigremien geblieben.
Nach 25 Jahren stehen die Grünen, denen Parteienforscher noch 2001 das Totenglöckchen läuteten, stabil da. Die Mitgliederzahl von derzeit 45 000 steigt langsam. In den Umfragen liegt die Partei bei zehn Prozent. Joschka Fischer führt die Popularitätsskala der deutschen Politiker an.
Der Bielefelder Reinhard Becker (50) hat für die Partei das markante Logo mit der Sonnenblume im Jahr 1980 entworfen - gemeinsam mit fünf anderen Bielefelder Fachhochschul-Studenten. »Wir haben damals wochenlang überlegt und uns im Kreis gedreht«, erinnert sich Becker. »Bis eines Tages plötzlich einer von uns zur Tür hereinkam und sagte: »Warum nicht eine Sonnenblume?«.«

Artikel vom 13.01.2005