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Politiker wollen Wähler für dumm verkaufen

Unkorrekt, unehrenhaft und unsozial: Echte Nebentätigkeiten rauben auch noch wichtige Jobs


Die Politiker, die mit ihren Nebeneinnahmen (»Nebenverdienste« darf man das nicht nennen, denn dieses Wort kommt ja von »ver-dienen«) in massiver Kritik stehen, verhalten sich nicht nur unkorrekt ihren Wählern gegenüber (sie predigen Enthaltsamkeit und greifen selber voll zu), sondern halten sie offenbar auch noch für dumm.
Der Fall »Ulrike Flach« aus der Partei der »Besserverdienenden«, der FDP, schlägt dem Fass den Boden aus. Da will uns eine vielbeschäftigte Bundestagsabgeordnete, die zudem noch den Vorsitz im Bildungsausschuss innehat und stellvertretende Vorsitzende ihrer Partei in NRW ist, weismachen, sie habe noch so viel Zeit übrig, dass sie zu Hause durch Übersetzungen rechtmäßig 5200 Euro netto monatlich »verdiene«.
Heimarbeit beruht auf einem Werkvertrag. Bei Zustandekommen eines solchen Vertrages müssen dem Arbeitgeber gegenüber auch »Werke«, also greifbare Dinge abgeliefert werden. Man kann eine Übersetzerin, die zu Hause arbeitet, ja einmal fragen, wie viele Seiten sie für 5200 Euro monatlich liefern muss. Mit anderen Worten: Die Sache ist höchst unglaubwürdig.
Im übrigen wäre das Verhalten von Frau Flach - wenn sie denn wirklich für 5200 Euro Heimarbeit Übersetzungen abgeliefert hätte - höchst unsozial. Denn für 5000 Euro monatlich hätten sicherlich gern auch fünf gelernte ehemalige Übersetzerinnen, die jetzt wegen ihrer Kinder zu Hause bleiben müssen, daheim gearbeitet. 1000 Euro monatlich sind für viele Menschen eben kein »Zubrot«, sondern ein Betrag, auf den sie angewiesen sind.
DR. HERIBERT SCHLINKER34414 Warburg

Artikel vom 15.01.2005