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Jede dritte Frau bleibt kinderlos

Persönliche Gründe haben mehr Gewicht als wirtschaftliche Ängste

Berlin (AP). Die wichtigsten Gründe für den Verzicht auf Kinder sind in Deutschland das Fehlen eines Partners und eine generelle Zufriedenheit mit einem Leben ohne Familie. Das ist das überraschende Ergebnis einer Umfrage des Berliner forsa-Instituts, die die Zeitschrift »Eltern« gestern vorstellte.

Danach haben persönliche Gründe bei der Entscheidung gegen ein Kind mehr Gewicht als wirtschaftliche Ängste. So erklärten jeweils 44 Prozent der befragten Kinderlosen, sie könnten sich im Moment nicht vorstellen, ein Kind zu bekommen, weil sie keinen geeigneten Partner hätten und auch ohne Nachwuchs mit ihrem Leben zufrieden seien.
39 Prozent begründeten ihren Verzicht mit der Angst um den Arbeitsplatz, 34 Prozent mit dem Wunsch nach Unabhängigkeit und 29 Prozent mit den Kosten, die ein Kind verursacht. »Eltern«-Chefredakteurin Marie-Luise Lewicki wertete das Ergebnis als Zeichen dafür, dass viele junge Menschen Angst vor der Übernahme der Verantwortung hätten, die mit Partnerschaft und Familiengründung einher gehe.
Hinzu komme, dass Kinder in den Medien oft nicht nur als Armutsrisiko, sondern auch als soziales Problem dargestellt würden - etwa bei Fernsehserien wie »Super Nanny«, in denen »Familie als horrormäßiger Sozialfall« erscheine. Erschwerend kommt hinzu, dass der Umfrage zufolge sogar 75 Prozent der Kinderlosen das Klima in Deutschland als kinderfeindlich empfinden.
Diesen Eindruck bestätigen die befragten Eltern: Fast die Hälfte der Familien berichtete, dass ihre Kinder in Geschäften, öffentlichen Verkehrsmitteln oder Restaurants oft als störend empfunden werden. Noch gravierender sind der Umfrage zufolge die Probleme am Arbeitsplatz: 50 Prozent der Eltern klagten über verständnislose Chefs, wenn es um Überstunden geht. 29 Prozent waren der Ansicht, dass sie langsamer Karriere machen als kinderlose Kollegen. 42 Prozent der berufstätigen Mütter empfinden Kinder als klare »Karrierehemmer«.
Ganz oben auf der Wunschliste der Eltern stehen eine kinderfreundlichere Gesellschaft (77 Prozent), günstigere Preise für Familien (92 Prozent), mehr finanzielle Unterstützung durch den Staat (85 Prozent) und die Anerkennung der Erziehungsleistung (77 Prozent). Für mehr Kinderbetreuungsplätze plädieren 38 Prozent. »Die Ergebnisse zeigen deutlich, in unserem Land muss einiges geschehen, damit Familien mit Kindern wieder das Gefühl bekommen, willkommen zu sein«, erklärte Lewicki.
Die Studie wurde im Zuge einer bundesweiten Initiative erstellt, die die Zeitschriften »Eltern« und »Eltern for family« unter dem Motto »Mehr Kinder. Mehr Leben« gestartet haben. Ein Fragebogen dazu wurde von mehr als 40 000 Menschen ausgefüllt. Ergänzend befragte das forsa-Institut 1535 Personen zwischen 18 und 49 Jahren mit und ohne Kindern, um die Gründe für ihre Familienplanung herauszufinden.
In einer weiteren Studie, der FamilienAnalyse 2005, untersuchte das Institut für Demoskopie in Allensbach die Lebenssituation junger Eltern. Einer der Hauptgründe für die niedrige Geburtenrate sei, dass das Durchschnittsalter von Erstgebärenden auf 29,3 Jahre angestiegen sei, sagte Expertin Renate Köcher. Damit werde das Zeitfenster für weitere Kinder immer kleiner. Insgesamt bleibt in Deutschland mittlerweile jede dritte Frau kinderlos.
»Erforderlich sind Korrekturen im Steuerrecht und ein langfristig angelegter Umbau des Rentensystems«, sagt ifo-Experte Martin Werding. Als Beispiel nennt der Volkswirt unter anderem die Anerkennung der Kinderbetreuungskosten als Werbungskosten. Derzeit können berufstätige Eltern bis zu 1500 Euro als außergewöhnliche Belastung von ihrer Steuerschuld abziehen, weitere 1500 Euro werden pauschal anerkannt.
Um junge Familien noch mehr finanziell entlasten zu können, schlägt »Eltern« vor, den Kinderfreibetrag von 3648 Euro langfristig auf das Existenzminimum eines Erwachsenen - derzeit 7664 Euro - anzuheben. »Eine Durchschnittsfamilie mit zwei Kindern müsste dann kaum noch Steuern zahlen«, sagte Lewicki. Als Alternative zur Anpassung des Kinderfreibetrags empfiehlt das ifo Institut ein Familiensplitting nach französischem Vorbild: Dort wird das zu versteuernde Einkommen rechnerisch gleichmäßig auf alle Familienmitglieder verteilt - und nicht wie in Deutschland üblich nur auf die Ehegatten.

Artikel vom 12.01.2005