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Meerwasser versalzt den Boden

Folgen der Flutkatastrophe für Umwelt in Asien noch nicht absehbar

Von Lars Nicolaysen
Neu Delhi (dpa). Während in den Katastrophengebieten am Indischen Ozean die Hilfsmaßnahmen unermüdlich weiter gehen, versuchen Experten das Ausmaß und die Folgen der gewaltigen Flutwelle für die Umwelt in der Region zu erfassen. Befürchtet wird, dass vor allem die Korallenriffe, die Lebensraum für viele Fische bieten, sowie andere Ökosysteme empfindliche Schäden erlitten.
Die Auswirkungen entlang der Küsten in den Katastrophengebieten sind unterschiedlich. Teilweise sind die Ackerflächen unbebaubar geworden. Das Meerwasser durchtränkte dort den Boden sehr tief.
Aber auch die Landwirtschaft wurde stark beeinträchtigt. In manchen Teilen der schwer getroffenen Regionen wie der südindischen Provinz Tamil Nadu wird es nach Einschätzung der Behörden drei bis vier Jahre dauern, bis die Agrarflächen wieder zurückgewonnen sind.
Noch ist nach Angaben von Naturschützern schwer absehbar, welche langfristigen Umweltschäden entstanden sind. Nicht auszuschließen, dass zum Beispiel die Landkarten von Indien neu gezeichnet werden müssen. »Die Auswirkungen entlang der Küsten sind unterschiedlich. Wir müssen sehen, ob sie dauerhaft sein werden oder nicht«, sagte Shanta Sheela Nair, zuständige Beamtin in Nagapattinam, dem mit am schwersten betroffenen Distrikt des südindischen Bundesstaates Tamil Nadu. Erste Bodenproben ergaben, dass allein in Nagapattinam mehr als 9500 Hektar Agrarfläche unbebaubar geworden sind. Das salzige Meerwasser durchtränkte den Boden bis auf eine Tiefe von fast 90 Zentimetern.
Veterinäre der Tierschutzorganisation International Fund for Animal Welfare (IFAW) sind derzeit in Indien und anderen Regionen dabei, Viehbestände wie Rinder und Ziegen sowie herrenlos gewordene Haustiere wie Hunde gegen Maul- und Klauenseuche und andere Krankheiten zu impfen. »Indem wir ihre Viehbestände schützen, schützen wir das Leben der Menschen in diesen Regionen«, sagte ein IFAW-Mitarbeiter in Indien. Gefahren für die Fischwelt stellen neben der Zerstörung der Korallenriffe auch die vielen gekenterten Boote dar. In den gesunkenen Fischernetzen können sich laut Experten noch über Jahre Tiere wie Delfine und bedrohte Schildkröten verfangen.
Zudem könnte es durch die vielen ins Meer gespülten Busse, Autos und andere Metallobjekte zu verstärktem Algenwuchs kommen und Florabestände, einschließlich Korallen, verdrängt werden. Das tatsächliche Ausmaß der Schäden wird sich Umweltschützern zufolge allerdings frühestens in sieben Monaten mit dem Monsun zeigen. Sie befürchten eine drastische Abnahme bestimmter Fischpopulationen zum Beispiel vor den südindischen Andamanen-Inseln. Auch der Bestand der schon vor dem Tsunami bedrohten Seekühe könnte demnach sinken. Die Flutwelle habe zudem die Eier von Salzwasser-Krokodilen und Schildkröten zerstört.
In dem südindischen Bundesstaat Tamil Nadu planen die Behörden nun ein umfangreiches Aufforstungsprogramm entlang der Küste, erklärte Nair. Man habe erkannt, dass die Schäden da, wo noch Mangrovenwälder und andere Bäume existieren, geringer ausfielen. Umweltexperten zufolge ist der jahrelange Raubbau an der Natur in Asien Schuld am Ausmaß der Zerstörungen. Um Platz für Hotels und Infrastrukturprojekte zu machen, seien Mangrovensümpfe rapide vernichtet worden. Hinzu kommen die vielen Krabben-Zuchtfarmen. Dadurch sei die »natürliche Schutzlinie« zerstört worden, hieß es.
Die Flutwelle könnte jedoch auch positive Folgen haben. Durch ein Aufwirbeln von Nährstoffen vom Meeresboden könnten die Fischbestände zunehmen, sagte Nair. Da die Fischer zudem vermutlich Wochen oder Monate benötigen, um ihre Boote und Netze zu reparieren, hätten die Fischbestände Zeit, sich zu erholen. In Südindien sind die Küsten nun zudem reicher an Mineralien.

Artikel vom 12.01.2005