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115 Millionen
Euro schwarz
eingenommen

890 Bürger nutzen Amnestie

Von Christian Althoff
Bielefeld (WB). 890 Bürger aus Ostwestfalen-Lippe haben den Finanzämtern im vergangenen Jahr unversteuerte Einnahmen wie etwa Auslandszinsen in Höhe von mehr als 115 Millionen Euro offenbart. Sie nutzten die noch bis zum 31. März geltende Amnestie und kamen straffrei sowie mit einer geringen Steuerzahlung davon.

Die 890 Ostwestfalen, die sich offenbart haben, haben 17,5 Millionen Euro nachentrichtet. Die Finanzbehörden hatten ursprünglich mit fünfmal so viel Amnestieanträgen gerechnet. Die Regelung sah im Wesentlichen vor, dass im Jahr 2004 auf unversteuerte Einkünfte 15 Prozent Steuern zu entrichten waren. Wer den Amnestieantrag erst in diesem Jahr stellt, muss auf seine Einnahmen 21 Prozent Steuern zahlen.
»Wer die Amnestie nutzt, macht selbst jetzt noch ein gutes Geschäft«, sagt Peter Windmann, Fachanwalt für Steuer- und Strafrecht aus Herford. Denn würden nach dem 31. März nicht deklarierte Einkünfte entdeckt, müssten neben dem jeweiligen Steuersatz pro Jahr sechs Prozent Hinterziehungszinsen gezahlt werden. »Und außerdem droht ein Strafverfahren.« Windmann rät allerdings, sich vor einer Amnestieerklärung professionell beraten zu lassen, um den Finanzämtern nicht mehr Daten als nötig offenzulegen.
Bei den Bürgern, die reinen Tisch gemacht haben, handelt es sich nach Erfahrung des Bielefelder Steuerstrafrechtlers Mirko Roßkamp nur selten um Multimillionäre, sondern eher um Angestellte und kleine Mittelständler wie Handwerker: »Die haben zum Teil 50 Jahre eisern gespart und beträchtliche Vermögen angehäuft.« Obwohl die Amnestie ihnen jetzt ermögliche, das Geld zu legalisieren, wollten viele diesen Schritt nicht gehen: »Sie fürchten, dass der Staat eine Vermögenssteuer einführt, wenn er erst einmal weiß, wieviel Geld die Menschen besitzen«, sagte Roßkamp.
Dass bisher nur wenige Menschen die Amnestie genutzt haben, führt Anwalt Windmann außerdem darauf zurück, dass viele gar nicht mehr das Geld besitzen, um die Steuer zu bezahlen: »Die haben irgendwann ein nicht deklariertes Vermögen geerbt und den Großteil an der Börse verloren.« Auch sei das Amnestiegesetz von der Bundesregierung nicht ausreichend beworben worden, kritisiert der Experte für Wirtschafts- und Steuerstrafsachen.
Bundesweit waren 2004 im Zuge der Amnestie 902 Millionen Euro nachgezahlt worden. Der mit 247 Millionen Euro größte Teil war von 8509 Bürgern aus Nordrhein-Westfalen gekommen. Allein im Dezember seien in NRW 110 Millionen Euro nachentrichtet worden, berichtet Hartmut Müller-Gerbes, Sprecher im Landesfinanzministerium: »Die haben bis zuletzt gewartet, um noch möglichst viel Zinsen einzunehmen.«

Artikel vom 15.01.2005