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Berufungen sind oft so
unnötig wie Fehlalarm

LG-Präsident preist Mediation und spart nicht mit Kritik

Von Uwe Koch
und Bernhard Pierel (Foto)
Bielefeld (WB). Wenngleich auch im Sprengel des Anwaltvereins Bielefeld die Zahl der Rechtsanwälte kulminiert und demnächst die 1 000er-Grenze überschreiten wird: Anwaltvereins-Chef Klaus Heise sieht unter seinen Kollegen »keine extremen Streitigkeiten«. Gäste des Neujahrstreffens des Vereins vernahmen die Botschaft Heises gern mit Schmunzeln. Landgerichts-Präsident Uwe Jürgens indes sieht nur noch außergewöhnliche Mittel, um der Flut der Zivilstreitigkeiten Herr zu werden. Sein Zauberwort: Mediation.

Als »sehr ärgerlich« bezeichnete Klaus Heise jene Situation: Der Kuchen, der für die Rechtsanwälte zu verteilen ist, wird nicht größer; wohl aber die Zahl derer, die um diesen Kuchen streiten. Heise indes betrieb Optimismus, indem er aufforderte, »getrost in die Zukunft zu sehen«.
Uwe Jürgens pries die Bielefelder Justiz als »Vorzeigeobjekt«, das im Zeichen der Modernisierung stehe. Der aktive Reformprozess stehe auf den Säulen »der Technisierung der Arbeitsplätze«, »der Umstrukturierung des Personalbestandes« und nicht zuletzt der »Bewältigung der Arbeitslast bei gleichbleibender inhaltlicher Qualität«. Allein auf ein Effizienzkonzept auf Basis der ökonomischer Realität zu setzen, ist nach den Worten Jürgens` »ganz falsch«. Seine Mahnung an die Rechtsanwälte lautete zudem: »Allerdings muss ein Streit bei Gericht enden, darf da nicht erst anfangen.« Die Ressource der Rechtsprechung müsse als ein hohes Gut »verinnerlicht« werden. Der Präsident des Landgerichts sparte angesichts dieser Statistik nicht mit harscher Kritik an den Rechtsanwälten: »Jede zweite Berufung wird durch Beschluss als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.« Uwe Jürgens verglich das Verhalten der Berufungskläger plastisch »mit der Verursachung häufigen Fehlalarms bei der Feuerwehr«.
Angesichts eines dramatischen Anstiegs der Eingänge beim Landgericht - laut Jürgens sind allein im Dezember 2004 mehr als 300 neue Akten zusätzlich notiert worden - will der Präsident das System der »gerichtsfernen Mediation« vorantreiben. In den kommenden Wochen sollen mit Hilfe von Bielefelder Anwaltskanzleien die Mittel einer außergerichtlichen Konfliktlösung ausgelotet werden. - Klaus Heise hörte das gern: Ein Vergleich sei schließlich für die Rechtsanwälte immer ein profitables Anliegen.

Artikel vom 12.01.2005