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Großpapa, wie war das damals?

Thomas Held macht aus privaten Geschichten unterhaltsame Hörbücher

Von Matthias Meyer zur Heyde und Carsten Borgmeier (Foto)
Bielefeld (WB). »Guck mal, das ist Oma im Steckrübenwinter 1916/17!« - »Und da macht unser Kleiner seine ersten Schritte!« Fotos von den lieben Verwandten besitzt jeder. Aber Tondokumente? Von Bubi, der seinen ersten Nebensatz spricht? Von Oma, die aus schwerer Zeit erzählt? Thomas Held schließt diese Lücke.

Sie kennen das: Die Alten sterben, und die Fragen bleiben. Was hätten die Jungen nicht alles wissen wollen, jetzt, da es zu spät ist! Und Großvater, der in der Zeit der Pferdefuhrwerke aufwuchs, konnte so toll erzählen - schade, dass im passenden Moment nie ein Mikrofon zur Hand war. Da schlägt die Stunde des Profis: Der freie Hörbuchjournalist Thomas Held (27) aus Bielefeld macht aus privaten Histörchen ein spannendes, ein liebenswertes Hörspiel.
»Die Schwierigkeit besteht darin, aus einem mehrstündigen Gespräch kurze, gut anhörbare Kapitel zu formen«, sagt der gebürtige Jöllenbecker, der sein technisches Rüstzeug als Redakteur bei Campus-Radio »Hertz 87,9« erwarb. Denn wenn es sich seine Gesprächspartner erst auf dem Sofa gemütlich gemacht haben, geraten sie schnell ins Erzählen - und sprechen natürlich niemals druckreif. »Das soll ja auch gar nicht anders sein, aber ich schneide zu Hause am Computer die Geschichten so, dass alles Wesentliche, vor allem aber das Individuelle erhalten bleibt«, erläutert Held.
Nach einem entspannten Gespräch - »zum Beschnuppern« - stellt Thomas Held bei zwei, drei Treffen sein Aufnahmegerät auf den Tisch. Etwa eine Woche dauert die Nachbearbeitung - und in dieser Zeit geschehen wahre Wunder. Da rasselt im Hintergrund das Pferdefuhrwerk, von dem gerade die Rede ist, da belfert ein MG, wenn der Krieg thematisiert wird. »Oder die Eltern erinnern sich an den sagenumwobenen Tag in den Sechzigern, an dem sie von deutschen Schlagern auf die Beatles umstiegen.« Dann jodeln die Fab Four im Hintergrund »She loves you, yeah, yeah, yeah«, und Mama und Papa kriegen diesen gewissen verklärten Blick.
Vor die Selbständigkeit hat die EU den Behördenkram gesetzt. Thomas Held hat nicht nur Starthilfe beantragt, er musste auch eine »Rentabilitäts- und Kapitalbedarfsvorschau« einreichen - Düsseldorf und Brüssel wollten wissen, was man denn so als freier Hörbuchjournalist verdient und was die Ausrüstung kostet. Ersteres ahnt der junge Berufseinsteiger nicht einmal; letzteres ist überschaubar: »Rechner, Mikro, MD-Gerät und Schnittprogramm - das reicht zunächst.« Später will Held sich eine Sprecherkabine einrichten. Dann bettet er selbst - oder auf Wunsch ein ausgebildeter Sprecher, in der Luxusklasse vielleicht eine bekannte Synchronstimme - die privaten Berichte in einen größeren Zeitrahmen ein.
Bei der Industrie- und Handelskammer jedenfalls fand Helds Geschäftsidee großen Anklang. Was muss er können? »Ich interessiere mich auch für die kleinste Episode und kenne mich aus in Zeitgeschichte.« So soll es sein, denn was bringt ein Zuhörer, der bei Vokabeln wie »Stunde Null«, »Wirtschaftswunder«, »Brezelkäfer« oder, ganz verrucht, »Kommune 1« ratlos mit den Lidern klappert? Die Technik beherrscht der versierte Radio-Macher aus dem Effeff, und ein paar nützliche Verbindungen, volkstümlich »Vitamin B« genannt, hat er auch geknüpft.
Seit dem 1. Januar hofft er nun auf Anrufe (05 21 / 3 27 62 79) von Menschen, die gerne erzählen. Auf E-mails (info@anders-gesagt.de) von mitteilungsfreudigen Zeitzeugen. Auf Post (Thomas Held, Am Brodhagen 67, 33 613 Bielefeld) von Liebhabern längst verwehter Jahrzehnte.
Sie alle halten am Ende ein oder zwei CD und ein Begleitheft (vielleicht mit erläuternden Fotos) in Händen. In einer gediegenen Hülle aus Holz. »Die schönsten Erlebnisse aus einem ereignisreichen Leben kann man doch nicht in profanes Plastik packen!«

Artikel vom 12.01.2005