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Fischer besucht ein gespaltenes Land

Kurzzeitige Friedenshoffnungen nach der Flut haben sich zerschlagen

Colombo (dpa). Die Hilfslieferungen passieren die Check-Points in Omantai im Norden Sri Lankas ohne Hindernisse. Doch das ist das einzige, was die Katastrophe hier bewirkt hat - Omantai wirkt immer noch wie eine Grenze zwischen zwei verfeindeten Staaten.
UN-Generalsekretär Kofi Annan bei Sri Lankas Präsidentin Chandrika Kumaratunga. Heute reist Außenminister Joschka Fischer nach Colombo.

Die Hoffnungen, die Flutwellen könnten Sri Lanka vereinen, haben sich zerschlagen. Stattdessen steigen die Spannungen zwischen Regierung und Tamilen-Rebellen der LTTE. Bundesaußenminister Joschka Fischer, der heute Gespräche in Colombo führt, besucht ein zutiefst gespaltenes Land.
Zwar droht nach Ansicht von Beobachtern kein unmittelbares Wiederaufflammen des Bürgerkriegs - doch niemand weiß, wie es in Sri Lanka weitergeht. Für kurze Zeit nach der Katastrophe schienen die Gräben überbrückbar zu sein. Tamilen-Tiger und Soldaten halfen sich in der Stunde der Not. Zeitungen druckten Fotos, auf denen Präsidentin Chandrika Kumaratunga einer LTTE-Kämpferin in einem Auffanglager lächelnd die Hand schüttelt - ein Anschlag einer LTTE-Kämpferin kostete Kumaratunga einst ein Auge.
Für Sri Lanka wäre es ein Segen gewesen, hätte die Flut die Konfliktparteien dazu gebracht, gemeinsam für das Wohl des geschundenen Landes zu kämpfen. 65 000 Menschen starben in dem 20-jährigen Bürgerkrieg.
»Die Katastrophe wird die Probleme des Friedensprozesses nicht lösen«, sagt Ulf Bjornfors von der Sri Lanka Monitoring Mission (SLMM) der nordischen Staaten, die den Waffenstillstand überwacht. »Notwendig wäre, dass die Parteien an den Verhandlungstisch zurückkehren.« Doch statt sich anzunähern, sind die Konfliktparteien in das alte Muster gegenseitiger Anschuldigungen zurückgefallen - und sie versuchen, politisches Kapital aus der Katastrophe zu schlagen.

Artikel vom 11.01.2005