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Ein Möbelstück
mit viel Witz

»Kom(m)ödchen« im Ringlokschuppen

Von Inga Krusch (Text und Foto)
Bielefeld (WB). Was passiert, wenn sich ein gescheiterter Unternehmensberater, ein durchgeknallter Finanzbeamter und eine depressive Lehrerin nachts auf einer Brücke treffen, alle drei kurz vor dem Sprung in die Tiefe? Eine Antwort auf diese Frage gab das Kabarett »Kom(m)ödchen« am Freitag im Ringlokschuppen.

Mit großartiger Situationskomik und einem fantastischen Programm lieferten Niki Ankenbrand, Volker Dietes und Heiko Seidel dem Publikum nicht nur einen netten Abend, sondern zeichneten ein ganzes Gesellschaftsbild nach - vom modernen Deutschland, das in Selbstmitleid zerfließt, obwohl es ihm doch eigentlich so schlecht nicht geht. Dieser deutsche Pessimismus ist auch den Figuren auf der Bühne eigen: »Alles geht schief: Da willste dich umbringen, und es stehen schon zwei andere auf der Brücke! Muss man hier irgendwo 'ne Marke ziehen?«
Kaum ein Thema wird ausgespart: Verpackt in die finale Unterhaltung auf der Brücke, zwischen Menschen, die normalerweise kein Wort miteinander gewechselt hätten, wird über die Globalisierung, die Pisa-Studie, die Probleme des Beamtentums oder über die Ost-West-Problematik philosophiert. Nebenbei beziehen die Kabarettisten immer wieder das Publikum mit ein - beim Elternabend zum Beispiel. Plötzlich geht das Licht an, die Zuschauer werden zu Eltern »umfunktioniert« und so Zeugen der »Innenansichten einer gestressten Pädagogin«. Und die beklagt nicht nur ihren Job als Lehrerin, sondern gleich die ganze deutsche Misere: »Nachbarn liegen tot in der Wohnung, Lebenspartner werden an Autobahnraststätten vergessen - und keiner merkts!«
Auch der Finanzbeamte hat seine dunklen Geheimnisse: Im Laufe des Abends stellt sich heraus, dass er gar nicht von der Brücke springen will - er will sie in die Luft sprengen. »Auf jedem Euroschein ist hinten eine Brücke zu sehen, das sind die wahren Zeichen des kapitalistischen Systems!«, begründet er seine Entscheidung. Am Schluss gelingt der Anschlag auch, allerdings nicht wie geplant: Das Bauwerk wird von einem trotteligen Polizeibeamten gesprengt, der sich aus Versehen auf den Auslöser setzt.
Bleibt abschließend zu sagen: Mit diesem Programm können sich die drei Kabarettisten sehen lassen. Sie reihen sich nahtlos in die lange Erfolgsgeschichte des Düsseldorfer »Kom(m)ödchens« ein.

Artikel vom 11.01.2005