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Das Leben mit Poesie anstecken

Schillers »Ästhetische Briefe« als Grundlage einer Theaterinszenierung

Von Matthias Meyer zur Heyde und Bernhard Pierel (Foto)
Bielefeld (WB). Alle deutschen Bühnen haben jetzt Schiller im Programm. Am Bielefelder Theater verlässt man die ausgetretenen Pfade und erarbeitet ein phantasievolles »szenisches Projekt« an ungewohntem Ort.

»Fürstengruft 200//Schiller« heißt das Stück, an dem der geschäftsführende Schauspieldramaturg Uwe Bautz und seine Kollegin Monika Gysel feilen. Dass die Aufführung angesichts des Titels nicht oberirdisch stattfinden wird, liegt nahe, aber den Aufführungsort umgibt derzeit noch ein Geheimnis.
Sicher ist nur: Die Premiere läuft am 9. Mai, an Schillers Todestag also, und danach sind höchstens noch drei weitere Vorstellungen anberaumt.
Dreh- und Angelpunkt der Collage sind Schillers »Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschengeschlechts«, 27 an der Zahl, die aber nicht alle vollständig in das szenische Stück einfließen. »Die Texte kann man einfach nur lesen, aber man kann sie auch spielen, singen, tanzen oder über sie improvisieren«, sagt Bautz und verrät damit, dass er nicht nur das Schauspielerensemble an der Schiller-Hommage beteiligen will, sondern auch an die Mitwirkung von Sängern und Musikern denkt. »Wir wünschen uns eine lebendige Darstellung, etwas Originelles, an dem das ganze Haus beteiligt ist.«
»Die Kunst ist die Tochter der Freiheit«, hat Schiller gesagt, und so wollen die Bielefelder Künstler den freien menschlichen Willen, um den es Schiller in seinen »Ästhetischen Briefen« zu tun war, in den Mittelpunkt ihrer Aufführung stellen. Das heißt, dass auch das Publikum seinen eigenen Weg finden soll - geistig wie körperlich: »Die Zuschauer werden frei entscheiden, wohin sie ihre Schritte lenken, und sich so ihre individuelle Aufführung zusammenstellen«, erklärt Bautz das Konzept.
Schiller als Wegweiser durch unübersichtliche Zeiten. »Von außen kommen ständig Ansagen, was wir tun und lassen sollen«, beschwert sich Bautz. »Diesem Zwang zur Fremdbestimmtheit stellen wir Schillers Idee vom freien Willen entgegen, die er in der intensiven Beschäftigung mit der Philosophie Immanuel Kants entwickelte.«
Da nimmt der zum Dichterfürsten verklärte Schwabe seinen Lorbeerkranz ab, steigt vom hohen Olymp herab und spricht zu uns auf Augenhöhe: »Wir wollen das Leben mit Poesie anstecken.«

Artikel vom 19.01.2005